Bin ich als Affäre mit am Fremdgehen „schuld“? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

Zu einer Affäre gehören zwei Personen: Die vergebene Person, die ihren Partner betrügt und die Person, die bei der Affäre mitmacht. Der Komplize, wenn man so will, ohne den das Delikt nicht möglich wäre – zumindest nicht in der Ausführung, wohl aber im Gedanken. Bin ich als Affäre mit für den Betrug verantwortlich? Und ist das überhaupt die richtige Frage?

„Wenn du es nicht wärst, dann wäre es eine Andere.“ Den Spruch hat sicherlich jeder, der in seinem Leben schon mal eine Affäre hatte, gehört. Auch ich. „Ich“ – das entspricht übrigens der Wahrheit und ich verzichte hierbei auch bewusst auf eine Anonymisierung. Warum ich das tue und mich so einem potenziellen Shitstorm aussetze? Weil ich denke, dass eine Affäre sicherlich keine charakterliche Empfehlung ist, aber dass sie nun mal menschlich, allzu menschlich ist. Und wir damit aufhören sollten, so zu tun, als würde es Seitensprünge und Affären nicht geben. Diese gibt es, genauso wie das Bedürfnis nach erstens, Sex mit Personen außerhalb der Partnerschaft (fragt mal die Evolution und eure Gene, die verteilt werden wollen danach) und zweitens, und noch viel wichtiger, Aufmerksamkeit, die wir Menschen brauchen.

Aber fangen wir von vorne an

„Merkst du dieses Kribbeln auch?“ Mit diesen Worten griff Julian, mein Kommilitone, der zu diesem Zeitpunkt auch nichts anderes als ein Kommilitone war, nach meiner Hand und zog mich an sich heran. Wir standen auf dem Balkon einer weiteren Kommilitonin, die etwas wie Geburtstag, bestandene Klausur oder Vortrinken vor der Sportlerparty feierte. Wer weiß das schon, zumal dieser Augenblick mittlerweile knapp 10 Jahre her ist. Ich war gerade für mein Master-Studium nach Hamburg gezogen, kannte dort niemanden, und hatte mich in einer Gruppenarbeit, mit Julian, der Sport studierte und mit dem ich ein paar Seminare in Erziehungswissenschaft zusammen besuchte, angefreundet. Ja, ich merkte das Kribbeln auch. Aber richtig darüber freuen konnte ich mich nicht.

Der Grund? Julians Freundin. 

Mit Julian hatte ich mich vom ersten Moment an, als wir zusammen an einem Gruppentisch saßen und Tier-Cartoons an eine Mindmap heften mussten (ja, so etwas macht man in Erziehungswissenschaften) gut verstanden. Wir fühlten uns damals beide ein bisschen zu cool für den Schwachsinn, den uns die Erziehungspädagogen da abverlangte. Wir verbrachten die Doppelstunden unseres Seminars also damit, uns über die Aufgaben zu amüsieren. Und uns gegenseitig zum Lachen anzustiften. Nach dem Seminar standen wir oft noch auf dem Hof vor dem Gebäude und quatschten. Er rauchend, ich Kaffee trinkend. Und so wurden die Gespräche dann auch relativ schnell tiefer. Als Julian mir erzählte, dass er mit seiner Freundin zusammenwohnte, war ich relativ überrascht, weil es zwischen uns immer etwas flirty war. Mit der Zeit konnte ich aber immer mehr heraushören, dass es zwischen den beiden wohl nicht mehr ganz so besonders lief.  

Oft erzählte Julian, dass sie sich wieder wegen irgendeiner Kleinigkeit gestritten hatten. Weil er am Wochenende seine Kumpels treffen wollte, weil er zu wenig Zeit mit ihr verbrachte und manchmal war Julian wegen irgendeiner Sache so genervt, dass er nicht ans Telefon ging, wenn sie bei ihm anrief. So richtig hatte ich deshalb eh nie verstanden, weshalb die beiden überhaupt zusammen waren.


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