Wie ich als Mann lernte, Gefühle zuzulassen, statt sie zu unterdrücken

Gefühle zu unterdrücken beraubt Männer um die schönsten Momente des Lebens

Aber wir Männer tappen dabei in einen Denkfehler. Ja, es stimmt, dass Gefühle urplötzlich aus der Tiefe des eigenen Inneren aufsteigen können und uns fortan gänzlich in Beschlag nehmen. Es stimmt, dass Gefühle manchmal zu eigenwilligen, schlechten oder unklugen Entscheidungen und Verhaltensweisen führen. Es stimmt, dass sich Gefühle, wenn sie sehr stark sind, schwieriger kontrollieren lassen als Gedanken. Aber die Wahrheit ist eben auch: Gefühle kommen und gehen. Und Gefühle sind völlig natürlich, gehören zum Menschsein wie ein Herz zu haben oder sich nach guten sozialen Kontakten zu sehnen. Gefühle sind informativ, sie sagen uns etwas, das unser Verstand manchmal einfach nicht verstehen will. Gefühle können uns innerlich „durchspülen“, wenn es uns schlecht geht. Gefühle machen die schönsten Momente unseres Lebens überhaupt erst schön. Gefühle zuzulassen bedeutet, das eigene Leben reich zu machen und wertvoll.

Ich wollte endlich radikal umdenken und meine Gefühle nicht länger unterdrücken

Es mag eine durch zahlreiche Klischees und Stereotypen bedingte verzerrte Wahrnehmung meinerseits sein: Aber ich habe den Eindruck, dass die Frauen, mit denen ich in meinem bisherigen Leben intensiveren Kontakt hatte, in der Mehrheit emotional doch deutlich kompetenter waren als ich oder mein männlicher Freundeskreis. Es gab da bei ihnen einen direkteren, unverstellten Kontakt zum eigenen Herzen. Und in dieser Beobachtung lag vor einiger Zeit dann auch der Schlüssel, endlich radikal umzudenken und zu lernen, meine eigenen Gefühle stärker zuzulassen. Es war der Neid, der mich, einen klassischen Kopfmenschen, zu einem Kopf-und-Gefühl-Menschen machte.

Ich wollte endlich Gefühle zulassen, statt immer nur vor ihnen zu fliehen

Ich besann mich auf zwei Fähigkeiten, die ich im Laufe meines Lebens erworben habe: Mut und Durchhaltevermögen. Mut, es einfach einmal zu versuchen. Durchhaltevermögen, um dabei eine dauerhafte Änderung zu erreichen. Hinspüren, dem Ganzen einen Namen geben und einfach mal erleben, was sich da gerade in mir tut, ohne mich gleich wieder mit etwas anderem abzulenken oder zu fliehen. Mich verletzlich zeigen. Falsche Coolness ablegen und dafür echter sein. Ich probierte es erst einmal im geschützten Raum einer Beziehung und war von den positiven Folgen schlichtweg begeistert.

Ich ließ Gefühle zu, entdeckte viele verborgene Seiten in mir

Irgendwann dehnte ich dann meinen „Selbstversuch“, Gefühle zuzulassen, auf mein gesamtes Leben aus, auf Momente des Alleinseins wie auch des Beisammenseins. Ich entdeckte in mir Traurigkeit und Sehnsucht, wie ich sie vorher noch nie gespürt hatte. Ich entdeckte, dass ich mich nur dann aus ganzem Herzen freuen kann, wenn ich meine Gefühle zulasse. Ich entdeckte, dass viele Gefühle zusammenhängen, und dass Liebe, Leiden, Unsicherheit und das Gefühl von Geborgenheit alle derselben Familie angehören. Ich entdeckte das alles nicht nur, ich fühlte es.

Ich gebe zu, die Reise in mein eigenes Inneres hat viele Jahre (und Beziehungen) gedauert und ich bin immer noch unterwegs. Aber ich bin glücklich darüber, diesen Weg eingeschlagen zu haben.


Weitere interessante Beiträge