Warum fällt es uns so schwer, uns zu entscheiden?

Ein ganzes Leben mit einem Menschen verbringen. Klar, dass diese Entscheidung nicht einfach ist. Ist es die große Auswahl – oder was hindert uns, öfter Ja zu sagen?

Partnerwahl ist kein Wunschkonzert, kein Zettel an den Weihnachtsmann und keine Backanleitung. Das ist uns bewusst. Oder? Einerseits fordern wir, dass wir unsere Partner selbst wählen dürfen, nicht die Eltern, nicht die Religion und schon gar nicht der Staat – gleichzeitig hoffen wir darauf, dass das Schicksal oder Amors Pfeil uns treffen und die Entscheidung abnehmen wird. Oder ist es anders zu erklären, weshalb so viele Singles darüber klagen, die große Auswahl würde sie verunsichern? So sehr, dass sie lieber alleine bleiben, bis eines Tages zufällig der oder die Richtige kommt – und sie erobert.

Darf man diese Entscheidungsunfähigkeit als passive Beziehungsverweigerung bezeichnen? Ich denke ja. Solange es ohne Vorwurf geschieht.

Ein kurzer Rückblick. Als meine Eltern sich in ihren Zwanzigern kennenlernten, da ging ohne den Segen ihrer Familien gar nichts. Ohne Auto auch nicht, denn Verliebte bekamen damals kein Zimmer vermietet, dafür sorgte der sogenannte Kuppelparagraf, der es unter Strafe stellte, Paaren mal eben so Rückzugsmöglichkeiten für ein wenig Zweisamkeit zur Verfügung zu stellen. Das alles spielte sich in einer streng katholischen, kleinen Gemeinde ab, in der jeder jeden kannte und jeder eine Meinung über jeden hatte. Diese öffentliche Meinung war wichtig. Wer sich ihr nicht beugte, wurde geächtet. Das war ungefähr vor 50 Jahren.

Wir wissen selbst was wir wollen

Seitdem ist viel passiert. Paare heiraten heute nicht nur ohne elterlichen Segen, sie laden auch ihre Eltern nicht mehr zwingend zur Trauung ein. Wir hatten gerade einen Beitrag über den Einfluss von Mama und Papa auf die Partnerwahl veröffentlicht, und da waren sich die Kommentatoren durchgängig einig: “Das ist allein meine Sache” oder “Im Gegenteil, wenn meine Eltern meinen Freund gut finden, dann passt er sicher nicht!” Wir wissen also selbst, was wir wollen, was uns gut tut. Bevormundung finden wir grundsätzlich Mist.

Um dahin zu kommen, musste es die sexuelle Revolution in den 60ern geben, die Frauen die Entscheidungshoheit über ihren Körper gab. Sie durften in vielen europäischen Ländern zwar wenigstens wählen, aber ein Nein im ehelichen Schlafzimmer war lange noch kein Nein. Die Pille sorgte für Selbstbestimmung, das Recht auf Abtreibung ging noch einen Schritt weiter. Schließlich dürften auch Frauen mit Frauen und Männer mit Männern Beziehungen führen, das mit der Ehe haben mittlerweile andere Länder Europas Deutschland voraus.

Wissen wir auch, was uns gut tut?

Was ich sagen möchte: So viel Wahlmöglichkeit wie heute hatten wir nie. Diese Wahlmöglichkeit ist erkämpft und erstritten worden. Viele, viele Menschen haben gelitten auf diesem Weg. Und jetzt leiden wir – unter der zu großen Auswahl.


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