Wann ist ein Mann ein Mann?

Auch wenn ich mich nicht allen Antworten anschließen mag, die derzeit zirkulieren, finde ich es richtig und wichtig, dass die Frage „Wann ist ein Mann ein Mann?“ offen diskutiert wird – von beiden Geschlechtern, sowohl in der Familie, im Freundeskreis als auch in der Gesellschaft. Wir Männer lebten viel zu lange in einem Orientierungsvakuum. Damit ist nicht nur das Mannsein als solches gemeint, sondern auch eine intakte, gelingende Beziehung zwischen Männern und Frauen.

Männliche Vorbilder und pubertäre Anpassung

Geschlechtliche Identität ist ganz sicher nicht alles im Leben, aber dennoch ist sie ein wichtiger Eckpfeiler unserer Gesamt-Identität und wirkt sich nachhaltig auf unsere Liebesbeziehungen aus, gleich, ob wir hetero- oder homosexuell sind oder eine andere Spielart der sexuellen Orientierung unser Eigen nennen.

Seien wir mal ehrlich: Wie viele Männer unserer Generation haben von ihren Vätern oder anderen wichtigen männlichen Bezugspersonen eine klare (das heißt vor allem: eine nicht-ambivalente) Vorstellung vom Mannsein vorgelebt bekommen, die dann in der Pubertät mit dem eigenen Temperament, Persönlichkeit, Lebenszielen und der gesellschaftlichen Realität abgeglichen werden konnte? Die wenigsten, möchte ich behaupten. Vorbilder zu haben und mögliche Antworten zu kennen, ist unbezahlbar.

Das Bild einer „modernen Frau“ ist im Vergleich inzwischen wesentlich schärfer.

Von Cappuccino-Holzfällern und anderen „Varianten“

Ich möchte an dieser Stelle nicht dafür plädieren, jungen, heranwachsenden Männern eine unveränderliche, normative Schablone zu bieten, die bis in die feinste Verästelung hinein vorgefertigte Antworten auf die Frage, was einen echten Mann ausmacht, vorgibt. Sollen-Sätze wie „Du sollst mehr Macho sein (mehr Softie, mehr Alpha, mehr Sensibelchen, mehr Alpha-Softie, mehr Cappuccino-trinkender-Holzfäller …)“ scheitern an der Realität des je eigenen Temperaments und der durch tausende von Lernerfahrungen geprägten Persönlichkeit eines jeden Individuums. Unsere Gesellschaftsform ist zu komplex, um „Identität“ auf ein an zwei Händen abzählbares Set an Rollen zu reduzieren. Das steht außerfrage.

Trotzdem tut Orientierung gut. Als junge Menschen wollen wir zwar unsere Grenzen austesten und ausweiten; aber manchmal wollen wir uns selbst auch Grenzen setzen oder sogar von außen begrenzt werden. Das gibt Halt und verhindert, dass wir uns immer und ständig neu entscheiden müssen und jedes noch so kleine Problem tausendmal in unserem Geist umwälzen.

Ich bin der Meinung, dass uns ein unendlich weites Meer von persönlichen Meinungen im Sumpf der Orientierungslosigkeit versinken ließe. Wir brauchen Inseln.

Männlichkeit ist nicht in Stein gemeißelt. Sie entsteht nur im Austausch mit Anderen und im Dialog mit dem tief in uns verborgenen authentischen Selbst. Daher ist es gut, drüber zu reden und nachzudenken. Am besten noch viel häufiger, als es bisher geschieht.


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