Du kannst bei mir sein, wenn ich mich selbst heile

Was mir persönlich sehr geholfen hat auf meinem immer noch andauernden Weg heraus aus der Depression, ist mit meinem Freund jeden Tag neu über Möglichkeiten, was er für mich tun kann, zu verhandeln. Denn es ist nun einmal so, dass es kein Patentrezept gegen die Erkrankung gibt. Kein geheimes Mittel, das allen Betroffenen gleichermaßen hilft. Manchmal kann eine Maßnahme, die sich an einem Tag als hilfreich erwiesen hat, einen an Depressionen erkrankten Mensch zu einem anderen Zeitpunkt in eine tiefe Krise stürzen. Das erlebe nicht nur ich so, sondern auch viele andere, mit denen ich gesprochen habe.

Während ich Fragen wie „Brauchst du was?“ oder „Kann ich etwas für dich tun?“ oftmals verneine, hat sich bei uns beiden bewährt, dass er die Frage einfach etwas anders stellt. So, dass sie vom Inhalt nahezu gleich ist, aber es mir einfacher macht, konkret darauf zu antworten. Nämlich: „Was brauchst du jetzt gerade von mir?“ Dann kann ich ihm direkt sagen, ob ich Nähe möchte oder Abstand, und ob er mir bei Dingen helfen soll wie dem Einkaufen oder anderen alltäglichen Sachen, die für mich aufgrund meiner Depression manchmal nur sehr schwer zu bewältigen sind.

Eine gute Kommunikation ist in jeder Beziehung essenziell. Für mich, die sich an einigen Tagen fast gar nicht ausdrücken oder Bedürfnisse äußern kann, ist es allerdings besonders wichtig, dass mein Freund es mir einfach macht, offen und ehrlich mit ihm zu sprechen. Darüber, wie es mir wirklich geht. Und welche Art von Unterstützung ich benötige. Ich habe es lieber, wenn er mich fragt, was ich brauche, als wenn er mich mit vermeintlich guten Ratschlägen versorgt, die ich alleine deswegen nicht annehmen kann, weil meine Krankheit mich daran hindert, all die Dinge zu tun, die in einem psychisch gesunden Menschen Glücksgefühle auslösen.

Auf die Frage, was Angehörige von Personen, die an Depressionen erkrankt sind, tun können, gibt es vermutlich keine allgemeingültige Antwort. Aber was mir hilft, ist, wenn mir die Menschen um mich herum wirklich zuhören. Wenn sie sich Zeit nehmen, mit mir zu sprechen, was ich will und was ich brauche, statt auf mich einzureden, was ich alles tun kann und sollte, um wieder auf die Beine zu kommen. Denn so schwer es auch zu akzeptieren ist: Von meiner Depression wird mich keiner von ihnen befreien können. Aber es ist schön, jemanden zu haben, der bei mir ist, wenn ich mich selbst heile.


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