Der Nachmittag, an dem du anfingst, mich zu lieben

Gibt es einen besonderen Moment, ab dem eine Bekanntschaft eine neue Qualität bekommt und zu einer Beziehung wird? Definitiv gibt es ihn, wie unser Gastautor zu berichten weiß

Ich erinnere mich noch genau an diesen einen Nachmittag vor Jahren im Hochsommer, an dem du unerwartet an meiner Tür geklingelt hast, obwohl wir erst fürs Wochenende verabredet waren. Irgendwann im Juli war das, wenn selbst im Norden des Landes kurz Sommer herrscht. Ich hörte deine schnellen Schritte im Treppenhaus und wusste einen Herzschlag später, dass sich etwas zwischen uns geändert hatte.

Draußen flimmerte das Bild der Stadt, die uns in ihren Schluchten Zuflucht gewährte. Trat ich doch einmal vor die Tür, um Obst einzukaufen oder Wasser, um etwas zu erledigen, das sich nicht aufschieben ließ, so stieg mir der Duft des Asphalts in die Nase. Die Straßen dufteten südlich, mediterran, irgendwie schmutzigschön, intensiv wie ein geteerter Kräutergarten.

Schließlich standst du vor mir, und ich spürte: Du hattest angefangen, mich zurück zu lieben. Es gibt eine Form der Euphorie, die sich in unsere Bewegungen übersetzt, in unserem Blick festhaftet und jedes gesprochene Wort neu einfärbt – eine Euphorie, die einen Übergang anzeigt. Es ist nicht einfach mehr irgendwas; plötzlich ist eine Grenze überschritten worden, ein unsichtbarer Fluss im Herzen. Bei uns war das an eben jenem Nachmittag.

Du lagst in meinen Armen und ich schmeckte deinen Schweiß. Alles klebte an dir, deine blauen Jeans, deine Sandalen, dein weißes Top, meine Lippen. Dein Haar hattest du zu einem Pferdeschwanz gebunden. Gerade warst du auf einem nahen Markt einkaufen gewesen, eine pralle Tüte voller Köstlichkeiten, die jetzt auf uns wartete.

Ich dachte daran, dass etwa zwei Stunden später die Sonne hinter den Häusern auf der gegenüberliegenden Straßenseite verschwinden würde. Doch die aufgeheizten Backsteine der Häuser würden noch bis weit in die Nacht hinein Wärme abstrahlen.


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