Was wir freiwillig tun und wozu wir uns zwingen müssen

Keine Lust? Keine Motivation? Dann leiden Sie unter Wurm-Würgung. Verstehen Sie nicht? Dann sollten Sie das “Würmli” kennenlernen, ein wunderbar anschauliches Modell der Selbstregulation von Dr. Maja Storch. Ein Auszug aus ihrem neuen Buch: “Lieben Sie doch, wie Sie wollen!”

Für den Umgang mit sich selbst und mit anderen Menschen ist von größtem Interesse, auf welche Art und Weise man den Wurm dazu bringen kann, bestimmte Handlungen auszuführen. Was den Wurm betrifft, so gibt es nur zwei mögliche Haltungen, die er gegenüber einer Absicht, etwas auszuführen, einnehmen kann. Er kann die Absicht in Freiheit, mit Freude und Frohsinn umsetzen. Oder er macht zwar das, was er soll, aber unter Zwang, weil er an die Kette gelegt wurde und weil er gegen seinen Willen zu etwas gedrängt wird. Man kann diese beiden Varianten sehr gut in Bildern darstellen. Der freie Wurm arbeitet in einer Verfassung, die man in der Psychologie „Selbstregulation“ nennt. Der Wurm an der Kette steht unter „Selbstkontrolle“. In meinen Vorträgen nenne ich die Selbstkontrolle aus Gründen der Anschaulichkeit oft auch „Wurm-Würgung“. Mit diesem Begriff wird sofort verständlich, wie es dem Würmli geht, wenn es zu etwas gezwungen wird, das es nicht will. Beispiele für Wurm-Würgung, die den meisten Menschen bekannt sein dürften, sind ein Zahnarztbesuch und die Steuererklärung. Was macht das Würmli freiwillig? Es geht freiwillig auf erwartbar Angenehmes zu, und es geht auch völlig freiwillig von erwartbar Unangenehmem weg. Gewürgt werden muss es, um sich Unangenehmem anzunähern oder um etwas wunderbar Angenehmes aufzugeben.

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Das “Würmli” ist eine Metapher für das, was Sie gerne tun würden, wenn Sie könnten, wie Sie wollten – und was Sie stattdessen tun müssen

Diese beiden Varianten von Wurm-Aktivität, die Selbstregulation und die Selbstkontrolle, sind für Liebesbeziehungen von größter Relevanz. Denn gerade, wenn Menschen lieben, würgen sie sehr oft den Wurm – aus Rücksicht auf den anderen. „Ich bin eigentlich überhaupt nicht der Wandertyp“, erzählt Britta. „Aber viele Jahre bin ich mit Udo kreuz und quer durch die Schweizer Alpen gekraxelt, aus Liebe! Du glaubst nicht, wie lange es gedauert hat, bis ich gemerkt habe, dass ich das gar nicht richtig gern mache. Und wie schwer ich mich dann damit getan habe, ihm klarzumachen, dass ich eigentlich lieber gar nicht mehr mitgehen würde. Meine Güte, wie viele verlorene Stunden meines Lebens!“ „Und wie viele Stunden ich erst verloren habe, weil ich Britta zuliebe mit ihr shoppen gegangen bin! SHOPPEN! Wenn ich das Wort nur höre, kräuseln sich meinem Wurm die Zehennägel. Geh’ mal an einem Wochenende in so eine Einkaufspassage, da kannst du viele gewürgte Männer-Würmer beobachten. Wenn man Glück hat, findet man einen Laden, wo es eine Männerecke gibt, mit Zeitschriften über Autos und Computer. Aber meistens steht man dumm rum und versucht, den Wurm an der Flucht zu hindern!“ – Auch Udo kann den Wurm würgen, gar keine Frage, das ist kein reines Frauenthema.


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