Das ist meine Angelegenheit! Territorialverhalten in Beziehungen

Menschen können ihr evolutionäres Erbe nicht verleugnen. Jeder behauptet nach wie vor sein Revier. Im Job, in der Wohnung und natürlich ebenso in der Beziehung

Ihr Partner ist wieder unpünktlich? Sie wissen, dass Sie sich nicht ärgern sollten, denn wie es so schön heißt: „Ärger, den man nicht gehabt hat, hat man nicht gehabt“. Doch da bestimmt jemand über Sie, Ihre Angelegenheit und Ihr Revier – ohne Ihre Bedürfnisse miteinzubeziehen. Da ändert es wenig, dass es sich um die geliebte Person handelt. Sie wurden fremdbestimmt und sind stinksauer.

Beispiele klassischer Revierkonflikte:

Revierkonflikt 1: „Trink nicht so viel!“ Gerade noch wollten Sie sich ein Glas Wein einschenken. Jetzt möchten Sie am liebsten trotzig aufstehen und daraus ein Glas Wodka machen. Warum? Weil Sie es können. Und weil Sie ja wohl gefälligst selbst die Droge der Wahl aussuchen dürfen. Klar, es geht um Ihre Gesundheit, der Hinweis war vermutlich gut gemeint, aber im Moment erkennen Sie vor allem eine Abwertung Ihrer Entscheidungsfreiheit.

Revierkonflikt 2: Endlich eine 2 in Mathe! Die Nachhilfe und die vielen zusätzlichen Stunden Pauken haben etwas gebracht. Sie drücken Ihrem Nachwuchs 10 € in die Hand. Als Belohnung und Ansporn. Von Ihrem Partner ernten Sie eine Standpauke, dass schulische Leistung nicht bezahlbar sei und welche Botschaft Sie denn damit senden wollten? Sie fragen sich, ob Sie Ihr Kind nicht bitte so erziehen dürfen, wie Sie möchten.

Solche und andere Situationen zeigen uns täglich: Im Zusammenleben mit anderen Menschen und auch mit dem eigenen Partner sind Reviere nicht immer räumlich. Obwohl es grundsätzlich schon gut ist, wenn die Käfige, in denen man zusammen wohnt oder arbeitet, nicht allzu beengt sind. Dass in der gemeinsamen Wohnung für jeden Partner idealerweise ein Rückzugsort vorgesehen sein sollte, leuchtet ja auch jedem ein.

Territorien gibt es überall

Aber ebenso ist Zeit eine begrenzte Ressource, um die gestritten wird. Und natürlich die persönliche, intime Zone. Oder die eigenen Werte und ihre Grenzen. Reviere gibt es überall. Und sie sind vermint, denn niemand will fremdbestimmt sein. Übergriffe führen umgehend zu Auseinandersetzungen. Nur dass wir seltener Zähne und Klauen einsetzen, sondern vor allem wütende Worte und Verhaltensweisen wie Liebesentzug, Trotz und Schweigen.

Viele Paare in der Beratung scheitern an Territorialkonflikten, ohne dass ihnen diese tatsächlich bewusst wären. Doch bei vielen Problemen geht es darum, dass einem Partner etwas weggenommen wurde – oder er das Gefühl hatte, ihm sollte etwas weggenommen werden.

Besonders schwierig ist dabei, dass viele Paare sich große Mühe geben, durch Kompromisse Probleme zu vermeiden. Sie sitzen stundenlang zusammen und diskutieren. Sie versuchen sich zu überzeugen. Bis sie sich endlich zähneknirschend auf halbem Weg treffen. Doch es ist entscheidend, Bedürfnisse und Wünsche ernst zu nehmen und zu respektieren. Die lassen sich nämlich argumentativ nicht vertreiben. Wenn Sie Hunger haben, wird es wenig bringen, Sie vom Gegenteil überzeugen zu wollen. Ob eine Currywurst, ein Bier oder eine Banane dagegen helfen könnte – darüber ließe sich hingegen verhandeln.

Konflikte als territoriale Übergriffe zu denken ist ein Gedankenmodell, das Tauschgeschäfte plausibel macht. In einer Beziehung gibt es drei Arten von Revieren und Ressourcen: die eigenen, die des Partners und die gemeinsamen.

Ressourcen können verhandelt werden. Das muss aber freiwillig geschehen.

Und wenn Sie sich das Ganze nun wie einen Flohmarkt vorstellen, bekommt dieser Handel sogar etwas leichtes, im besten Fall etwas komisches und ja, auch etwas anspornendes. Es lässt sich alles verhandeln, schrieb der Paartherapeut Wolfgang Schmidbauer. Seien Sie fantasievoll dabei. Es geht darum, dass die Partner zufrieden mit dem Ergebnis sind, dass sie Spaß am Handel hatten und dass beide ihre Wünsche und Bedürfnisse respektiert und erfüllt erlebten.


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