36 Fragen zum Verlieben – Reicht das, um sich zu verlieben?

Was kommt zuerst: Fühlen oder reagieren?

Aus der Emotionsforschung wissen wir, dass unsere Gefühle nicht nur Verhalten hervorbringen (wer glücklich ist, lacht), sondern auch umgekehrt. Ein Bleistift, quer zwischen den Zähnen gehalten, hebt die Mundwinkel wie beim Lächeln und damit unsere Stimmung. Dieses „Embodiment“-Phänomen ist nachgewiesen, probieren Sie’s aus! In ähnlicher Weise verhalte ich mich während des 36 Fragen-Gesprächs, als wäre die fremde Person bereits ein mir nahe stehender Mensch. Das entsprechende Gefühl dazu könnte demnach nichts weiter als eine Rückkopplung aus meinem Körper an mein Gehirn sein.

Wie sehr entspricht es Ihrer Einstellung, einen Fremden von der Straße aufzulesen und mit ihm die 36 Fragen zu bearbeiten? Für die meisten von uns gilt: Mit Fremden spricht man nicht und schon gar nicht über Ängste und Geheimnisse. Tun wir es entgegen unserer Einstellung doch, entsteht ein innerer Spannungszustand, den die Kognitionspsychologen Dissonanz nennen. „Pain in the ass“ trifft es umgangssprachlich anschaulicher, und wir lassen nichts unversucht, um da wieder raus zu kommen. Wenn andere Strategien nicht greifen, verändern wir einfach unsere Einstellung gegenüber den Merkmalen der Situation.

“…Und schon ist der Fremde in unseren Augen kein Fremder mehr. Voilà, empfundene Nähe!”

Gefahr im Verzug = Liebe

Zu guter Letzt: Vergessen Sie die Fragen! Sie könnten genauso gut über eine gefährliche Hängebrücke gehen, an deren Ende die fremde Person steht, in die sie sich verlieben wollen. Das sorgt ungefähr für genauso viel Aufregung im Körper wie ihre unmittelbar nach außen gestülpte innere Verletzlichkeit, also für beschleunigten Puls, feuchte Hände, flachen Atem. Zufällig sind das ähnliche Symptome wie beim Verlieben. Forscher haben das mit der Hängebrücke mal ausprobiert: Sie ließen Männer entweder über eine gefährliche oder eine sichere Brücke auf ihre weibliche Versuchsleiterin zu laufen. Die Überwinder der gefährlichen Brücke fanden die Versuchsleiterin attraktiver und nahmen danach häufiger das Angebot wahr, sie im Falle von Fragen anzurufen. Ein Zuschreibungsfehler, weil die Ursache der eigenen körperlichen Erregung fälschlicherweise nicht an der Gefahrensituation, sondern an der nächstbesten Person festgemacht wurde. Wohlgemerkt: Zuschreibungsfehler, nicht -erfolg! Sollte ein solcher Fehler mitverantwortlich für die entwickelte Nähe im 36-Fragen-Gespräch sein, dann das zum Thema Echtheit der empfundenen Nähe…

Aron und seine Mitautoren kommentieren die Frage nach der Echtheit übrigens selbst, und zwar mit einem klaren „Jein“. Sie glauben zu Recht, dass Loyalität, Verlässlichkeit, Commitment und andere wichtige Beziehungsaspekte sich über längere Zeit entwickeln müssen. Aber ob Fragen zur Selbstoffenbarung, gemeinsames Mundwinkelanheben oder die Hängebrücke: Es gibt wahrlich langweiligere Wege, ein erstes Kennenlernen zu gestalten!


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