Was ist, wenn der Wunschpartner eine schreckliche Familie hat?

Lindas Freund hat eine Herkunftsfamilie zum Gruseln: eine kaltherzige Schwiegermutter und einen Schwiegervater ohne eigenen Willen. Nun belastet dieses „Erbe“ auch ihre eigene Beziehung. Aufgeschrieben von der Philosophin und Liebesforscherin Birgit Ehrenberg

Linda ist ehrgeizig, sie will Karriere machen, und sie ist traditionsverbunden, mütterlich und familiär. In Theo hat sie den perfekten Mann gefunden, mit dem sie die gleichen Ziele verfolgt: Kinder zu bekommen, sie liebevoll zu versorgen, seinen Job bestmöglich erledigen, sich die Hausarbeit teilen, ein tolles Liebespaar sein – darüber hinaus mit den Großeltern und mit dem Rest der Familie ein intensives Miteinander pflegen. Wie in einer italienischen Großfamilie, so schwebte es Linda vor. Einer für alle und alle für einen. Ohne das Feindbild einer dominanten Schwiegermutter allerdings. Vor dieser hatte Linda immer Angst, sie kennt das von ihren Freundinnen, die darunter leiden, dass die Schwiegermutter alles besser weiß. Nun hat Linda eine Schwiegermutter, die das Gegenteil von dominant ist: Rita, eine klassische Hausfrau zwar, zumindest theoretisch. Praktisch jedoch rührt Rita seit Jahrzehnten zu Hause keinen Finger. Sie interessiert sich nicht für Küche und Haushalt, nicht für die Familie. Zusammen Weihnachten feiern oder Ostern oder Kindergeburtstage? Fehlanzeige. Da winkt Rita müde ab, das macht Arbeit, sie ist lieber allein und schaut fern. Linda hat eine Schwiegermutter, die die Familie sabotiert. Und damit auch die Ehe von Linda und Theo.

Vorfreude auf die Familie des Mannes

„Ich erinnere mich noch ganz genau an die erste Begegnung mit Rita“, erzählt Linda. „Es war ein Sonntag im Frühling, Theo und ich saßen im Auto, wir waren auf dem Weg zu seinen Eltern, sie wohnen auf dem Land. Wir waren ein paar Monate zusammen und bis über beide Ohren verliebt, wir hatten schon über Heirat gesprochen. Theo und ich hatten an dem Tag total gute Laune. Ich freute mich darauf, Theos Eltern kennenzulernen. Ich fragte Theo nach seiner Kindheit aus, er war schweigsam, das ist sonst nicht seine Art. Als ich wissen wollte, ob er seine Kindheit als nicht glücklich empfunden hat, verneinte er das allerdings energisch. Es erschien mir, als wenn er etwas verdrängt. Als wir vor dem Haus der Eltern ankamen, stand Hans, Theos Vater, schon vor der Tür und winkte freundlich. Ich hatte Fotos von den Eltern gesehen, er, Hans, der Vater, groß und kräftig. Sie, Rita, klein und rundlich, ein breites Gesicht, blond, Dauerwelle. Ein typisches Muttchen. Ich wusste von Theo, dass Rita nie gearbeitet hatte. Die backt und kocht bestimmt den ganzen Tag und ist fürsorglich, eine gemütliche Glucke, das war mein Eindruck. Häuslichkeit und Mütterlichkeit, das habe ich von ihr erwartet.

Ein trauriger Empfang: Keine Wärme, keine Gastfreundschaft

Als ich ins Esszimmer kam, schnupperte ich automatisch. Ich witterte gewissermaßen assoziativ Kaffeeduft und den Geruch von frisch gebackenem Apfelkuchen. Stattdessen roch es nach nichts. Interessante Psychologie: Mein Wunsch war sozusagen „Vater des Gedankens“, meine Erwartungen haben meine Sinne getäuscht. Rita gab uns schlapp die Hand, führte uns ins Wohnzimmer, der Fernseher lief, irgendeine Schundserie. Ich schielte zum Tisch, keine Kaffeetafel. „Wer was essen oder trinken will, Theo, Du weißt ja, wo der Kühlschrank ist“, sagte sie und sah weiter fern.“


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