Mama zwischen Sorge und Recht

Was tun, wenn der Traum von der glücklichen Familie platzt? Carola Fuchs erzählt von ihren Stolpersteinen auf dem Weg zum Familienleben. Ein Buchauszug

Einen Plan B zu haben ist grundsätzlich eine gute Sache. Nachdem mein Traum von der glücklichen Kleinfamilie, also Plan A, schon im Kreißsaal zu bröseln begann und nach 3 Monaten gänzlich gescheitert war, wollten Thomas und ich wenigstens als Eltern gemeinsam für unsere kleine Katja da sein.

Es schien, als wäre dieser Plan B genau unser Ding. Jeden Mittwochnachmittag unternahmen wir zu dritt einen Ausflug ins Schwimmbad, in den Tierpark oder zum Schwäne füttern an den Ammersee. Und wenn es Thomas gerade in den Zeitplan passte, kam er gelegentlich spontan auf einen Kurzbesuch vorbei. Manchmal kam ich sogar ins Grübeln, ob die Trennung nicht doch eine Fehlentscheidung meinerseits war. Aber immer im letzten Moment, kurz bevor ich der Heile-Welt-Illusion erlag, riss mich ein rettendes Intermezzo in die Realität zurück.

„Gemeinsame“ Elternschaft – dem Kind zuliebe

So wie an jenem Abend, an dem ich Thomas anrief, ob er nicht kommen und mir helfen könnte. Katja hatte am Tag vorher angefangen zu spucken und seit Mittag hing auch ich über der Schüssel. Eine Flasche Cola, Salzstangen und jemand, der in der Lage ist, eine Ladung vollgespuckte Wäsche in die Trommel zu schmeißen, wären eine echte Bereicherung gewesen.

Stattdessen fragte er mich genervt: „Warum rufst du da mich an? Fahr halt ins Krankenhaus!“ Diese Antwort katalysierte meinen nächsten Brechanfall und ich beglückwünschte mich zu Plan B. Wobei „Gemeinsame Elternschaft“ eine ziemliche Übertreibung für unser Arrangement war. Ich war für ALLES zuständig und Thomas pickte sich die Rosinen raus. Natürlich widersprach das meinem Verständnis von Kooperation, aber Katja zuliebe, die nicht ganz ohne Vater aufwachsen sollte, nahm ich diesen Status quo als gegeben hin.

Und so hätte es meinetwegen bis zu Katjas Abiturfeier weitergehen können, wenn das Schicksal, oder der Zufall, oder was auch immer nicht kräftig mitgemischt hätte.

Internet-Dating aus Trotz

Zunächst stellte sich heraus, dass Thomas unmittelbar nach meinem Auszug bei Sandra, einer recht attraktiven Nachbarsblondine, Trost gefunden hatte, was im Nachhinein seine gute Laune die letzten eineinhalb Jahre über erklärte. Das wurmte mich innerlich! Ich fand, dass man die Zeit auch sinnvoller hätte nutzen können, z.B. um über die Bruchlandung nachzudenken und über Möglichkeiten, das Familienleben auf den zweiten Anlauf hinzukriegen. Meine beste Freundin Steffi schlug in die gleiche Kerbe. „Siehst du?“, fragte sie mich mit einer hochgezogenen Augenbraue, „Thomas lässt nichts anbrennen, während du seine Gene großziehst und unterdessen zuhause versauerst. Und Caro, du weißt ja, je länger man alleine ist, desto schrulliger wird man.“

„Es sind auch meine Gene“, gab ich trotzig zurück, aber die Prophezeiung der drohenden Schrulligkeit brachte mich dazu, mich noch in der gleichen Nacht bei einer Online-Dating-Agentur anzumelden.

Bei Tag, sprich in den nächsten Wochen, zeigte sich allerdings, dass ich alles andere als eine Power-Daterin war. Dazu fehlte es mir schlichtweg an Energie und natürlich an Zeit. Zu drei mageren Treffen konnte ich mich aufraffen und machte dabei sogar ganz passable Erfahrungen. Trotzdem lehnte ich den Vorschlag für ein zweites Date jedes Mal dankend ab. Es fehlte der Funke!

Ein charmanter Nerd

Kurz vor Ende der Mitgliedschaft plagte mich dann das schlechte Gewissen, die paarhundert Euro buchstäblich zum Fenster rausgeschmissen zu haben. Daher setzte ich mich an einem langen, dunklen Herbstabend an meinen PC, um in den Männerprofilen zu stöbern … und blieb bei einem Software-Entwickler hängen. Das Bild war zwar verschwommen, ließ aber einen sympathischen Kerl erahnen. 45 Jahre, 187 cm, ledig, wohnhaft in München. Hm. Bestimmt ein Nerd. Was soll’s, dachte ich mir, dem schreib ich jetzt. Kurz vorm Ausloggen flatterte schon seine Antwort herein. Hab ich’s doch gewusst, ein Nerd! Sitzt den ganzen Tag und die halbe Nacht mit kalter Pizza vor dem Computer, hat keine Freunde und schon gar keine Ahnung von Frauen … obwohl, dafür schrieb er recht charmant und witzig, geradezu geistreich.

In den nächsten Tagen entwickelte sich ein reger Mailkontakt mit diesem Ali. Wir schrieben uns über den Jazz, den er liebt, und der bei mir streckenweise unter dem Label “Schreckliche Musik” läuft und über unsere gemeinsame Leidenschaft, die Kosmologie. Wir outeten uns als eifrige Harald-Lesch-Schauer und waren beide enttäuscht, dass es keine neuen Folgen der Sendung Alpha-Centauri gab.

Nach drei Wochen schriftlicher Kommunikation trafen wir uns vor einem Café und es war vom ersten Augenblick an klar, dass die Sympathie nicht nur virtuell bestand. Mehr als das. Kaum saßen wir uns an einem kleinen Tischchen gegenüber, war es um mich geschehen. Mit seinen sportlichen 187 cm war er eine imposante Erscheinung. Wie er mich anschaute mit seinen braunen Augen, und dem sympathische Lachen und vor allem wie er sich für das interessierte, was ich erzählte … ich fand ihn einfach nur toll. Wir redeten und redeten, die Zeit verflog, und als ich mich irgendwann zwang, aus diesem tranceartigen Zustand aufzutauchen und auf die Uhr zu schauen, waren aus der geplanten Stunde zwei geworden. Und ich hatte ihn noch nicht einmal gefragt, ob er ausschließlich schreckliche Musik hört oder in Ausnahmefällen auch mal für eine schöne Elton-John-CD zu gewinnen sei, und warum er sich eigentlich Ali nennt. Er hatte überhaupt nichts Arabisches an sich, im Gegenteil, er stammte aus einem kleinen bayerischen Ort.

Der zweite Eindruck stand keineswegs hinter dem ersten zurück. Im Gegenteil, jetzt schlug der Blitz so richtig ein. Soweit der Hormon-Rausch eine objektive Beurteilung der Lage überhaupt zuließ, hatte ich den Eindruck, dass Ali in grundsätzlichen Fragen des Lebens ähnlich tickt wie ich: Unsere Arbeit ist für uns beide viel mehr als bloßes Geldverdienen; Urlaub ist eine nette Abwechslung, aber nicht der Sinn des Jobs; und so schwer einem die eigenen Sorgen auch manchmal auf der Seele lasten, wenn man einen beherzten Blick auf das Wunder des ganzen Universums mit seinen zig Milliarden Sternen wirft, sind wir Erdlinge mit unseren Problemchen doch recht winzig.

Ich erfuhr, dass er nach seinem Großvater, dem Alois, benannt war, was er zu altmodisch fand und mir recht sympathisch war. Als er mich zum Auto begleitete, brachte ich das Gespräch noch einmal auf seinen problematischen Musikgeschmack und er versicherte mir augenzwinkernd, dass er dem Anlass entsprechend zu Kompromissen bereit sei. Dann zog er mich zu sich und gab mir einen Kuss – wohlig weich und sinnlich. Nur eins daran gefiel mir nicht: Er war viel zu kurz.

Hier wäre die ideale Stelle gewesen, an der das Schicksal hätte rufen können: „Schnitt. Alles im Kasten!“, und das Happy End wäre perfekt gewesen.

Doch das Schicksal dachte nicht daran.

 

Die ganze Geschichte von Carola, Thomas, Katja und Ali lesen Sie in „Mama zwischen Sorge und Recht – Die aberwitzigen Erfahrungen einer Mutter in Sachen Umgang“.

Cover Mama zwischen Sorge und RechtCarola Fuchs:
Mama zwischen Sorge und Recht
€ 7,95
ISBN 978-3-00-047004-2
erhältlich auf Carola Fuchs’ Homepage

 


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