Liebesbrief an mein Sternenkind

Unsere Autorin hat ein Kind verloren. Und doch wird es immer einen Platz in ihrem Herzen haben, es ist ihr Sternenkind. Dies ist ein Brief. Und zwar kein Abschieds-, sondern ein Liebesbrief.

Ich denke an dich. Und kann keinen klaren Gedanken fassen. Du bist ein kleines Wunder gewesen. Völlig unerwartet bist du in unser Leben getreten. Ein kleiner Donnerschlag, ungeplant. Und doch so willkommen. Du warst auf einmal da. Und genau so schnell habe ich dich wieder verloren. 3 Monate habe ich dich in meinem Bauch getragen, die meiste Zeit völlig unbemerkt. Doch du wolltest nicht bleiben. Mein Baby.  Mein Sternenkind.

Es gibt Menschen, die sagen, dass wir erst nach den ersten drei Monaten von unserem kleinen Wunder erzählen sollen. Sie meinen, dass das besser wäre, falls “es nicht klappt”. Aber wieso eigentlich? Sicher, aus medizinischer Sicht passieren in diesem Stadium statistisch gesehen die meisten Fehlgeburten. Aber tut es deshalb weniger weh, wenn “es nicht klappt”? 

Bräuchten wir nicht gerade dann Unterstützung unserer Liebsten, um mit dem Verlust, der Trauer und dem Schmerz irgendwie klarzukommen? 

Ich habe dich gespürt, kleines Wunder.

Noch bevor ich wusste, dass ich dich unter dem Herzen trage, war klar, dass etwas anders ist als sonst. Meine Hormone wurden durcheinander gewirbelt. Meine Launen waren unerträglich. Auf den klarsten Sonnenschein folgten scheinbar ohne Grund düstere Wolken. Wahnsinn, dass dein Papa diese Stimmungswechsel so gut ertragen konnte. Im Nachhinein betrachtet ist es fast amüsant, wie lange ich meine “anderen Umstände” nicht bemerkt habe. Denn tatsächlich hätten alle Anzeichen aus dem Lehrbuch stammen können. Dank dir hatte ich die verrücktesten Gelüste. Erdnussbutter mit Senf und Balsamico, wer isst denn sowas?  

Als ich ihm von dir erzählt habe, strahlte dein Papa, wie niemals zuvor. Wir hatten dich nicht geplant. Viel zu kurz kennen wir uns. Und doch, die Freude über dich war überwältigend. Wir schmiedeten Pläne, lauschten deinem Glucksen in meinem Bauch. Sogar dein großer Bruder war nach anfänglicher Skepsis Feuer und Flamme für dich. Langsam sah ich ein kleines Bäuchlein, ich trug dich mit Stolz. 

Wie du wohl aussehen wirst – wirst du die sanften Augen deines Vaters haben? 

An jenem Morgen wachte ich auf. Und spürte, dass etwas anders war, als sonst. Benennen konnte ich es nicht. Und dann setzten meine Bauchkrämpfe und Blutungen ein. Bitte nicht. Die nächsten Stunden verschwimmen in meiner Erinnerung zu einem verzerrten, schmerzhaften Bild. Innerhalb weniger Minuten hatte ich meine liebsten Menschen um mich. Wir hielten uns fest, wir weinten, wir sprachen, wir suchten nach Erklärungen für etwas, für das es keine Erklärung geben kann. Wir haben dich verloren. 

Wie alleine wäre ich gewesen, hätte ich im Vorfeld nicht über dich gesprochen? Ich möchte es mir nicht ausmalen und bin rückblickend umso dankbarer, meiner Intuition gefolgt zu sein.


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