Brauchen wir wirklich kinderfreie Zonen?

Restaurants und Hotels führen kinderfreie Zonen und Sperrstunden für Kinder ein. Wirte befürchten, dass die lärmenden und herumtobenden kleinen Gäste andere von einem Besuch abhalten. Sind wir (Deutschen) kinderfeindlich?

Wir haben Kinder. Zwei an der Zahl. Die sind natürlich in der Regel total süß. Manchmal aber auch obernervig. Besonders, wenn es um das gemeinsame Sitzen am Tisch zum Zwecke der Nahrungsaufnahme und kultivierten Unterhaltung geht. Letztere haben wir relativ schnell nach der Geburt zu den Akten gelegt. Für die nächsten Jahre also kein inspirierender Gedankenaustausch am gemeinsamen Küchentisch. Dass es aber auch mit Punkt eins, also dem gemütlichen Familienessen, so schwierig ist, damit kann ich mich immer noch sehr schwer abfinden und meinen Unmut darüber bekommen die Kinder allabendlich deutlich zu hören: „Setz Dich bitte wieder hin!“, „Kannst Du bitte Dein angegessenes Würstchen auf den Teller legen, anstatt es in den Apfelsaft zu tauchen!“, „Iss bitte weiter und nicht die Gurkenstücke zum Eiffelturm aufstapeln, auch wenn Deine Schwester gerade mit dem Brot kleine Kügelchen formt, um diesen umzuwerfen.“ Sie ahnen nicht, was während eines Abendessens alles geholt, weggebracht, runtergeworfen, zerbrochen, vorgeführt, ausprobiert und umgeschüttet werden kann. Mit Essen hat das wenig zu tun. Mit kultiviert schon gar nicht. Gemeinsam ist daran nur die Bewältigung einer konflikthaften Situation.

Ein Platz in unserer Nähe ist nicht beneidenswert

Ich bin die Letzte, die nicht verstehen kann, dass es Kinder in Restaurants, Hotels und anderen öffentlichen Einrichtungen nicht auf die Top-10-Liste der beliebtesten Gäste schaffen. Ich schäme mich heute noch für das Chaos, dass unsere Kinder in einem exzellenten mallorquinischen Hotel am Frühstücksbuffet hinterlassen haben, nur weil wir, die Erziehungsberechtigten, den ersten Kaffee des Tages für eine lächerlich kurze Minute genießen wollten und die Kinder allein von dannen ziehen ließen. Die Contenance des Restaurantchefs, der uns eines der beiden schokobeschmierten Kinder auf dem Arm tragend zurück zu unserem Tisch brachte, bewundere ich bis heute.

Es ist doch so, wir Eltern würden auch gern ab und an vor unseren Kindern Ruhe haben. Einfach nur dasitzen und am Teechen nippen, in Ruhe das Angebot eines Bekleidungsgeschäftes studieren oder von A nach B mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen. Während wir noch dem Gedanken nachhängen, wie schön es sein könnte, einige dieser Dinge in Ruhe tun zu können, hat unser Nachwuchs bereits Regale ausgeräumt, die neue Kollektion vom Bügel gerissen oder stößt dem Vordermann im engen Flugzeugsitz unablässig und im Takt des gehörten und lauthals mitgesungenen Kindersongs mit den Füßen durch die Rückenlehne. Ich beneide wirklich keinen um einen Platz in unserer Nähe. Wirklich nicht.

Bitte nicht umherlaufen und die Karre bleibt draußen

Dennoch finde ich es mindestens mal irritierend, wenn wir – angekommen in einem Café – von der vorbeieilenden Bedienung mit den Worten empfangen werden: „Wenn Sie bitte dafür Sorge tragen würden, dass die Kinder nicht umherlaufen und die Kinderkarre vor der Tür stehen bleibt“, während sie zum Nachbartisch eilt, um den dort sitzenden und unseren Kindern bis zur Schulter reichenden Hund einen Wassernapf hinzustellen. Dieser hatte das Wasser übrigens in drei Sekunden weggesabbert, wobei die Hälfte davon erst auf dem Boden, dann auf Frauchens Schoß und schließlich an unserem Tischtuch landete. Auch nicht wahnsinnig appetitlich. Dem Hund hat sie, die Kellnerin, immerhin freundlich über den Kopf getätschelt. Gut, einige mögen halt gerne Hunde, andere Katzen, wieder andere eben Kinder. Ist ja nicht schlimm. Aber hat es wirklich damit zu tun, ob man Kinder oder eben Haustiere mag oder nicht?

Gastwirt verbot Kindern den Zutritt

Im letzten Jahr führte das Aufstellen eines Schildes eines Wirtes auf der Insel Rügen, das Kindern unter 14 Jahren den Zutritt zu seiner Lokalität nach 17 Uhr untersagte, zur allgemeinen Empörung und Aufregung (1).  Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes wurde befragt und erklärte den pauschalen Ausschluss von Kindern ohne zwingenden sachlichen Grund für bedenklich.


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