Du kannst meine Probleme doch nicht mit deinen vergleichen

Jan ist ein echtes Glückskind, solche Leute gibt es, denen einfach alles in den Schoß fällt. Er ist in der perfekten Familie aufgewachsen. Die Eltern waren und sind glücklich miteinander, in ihren Berufen und von Haus aus sehr vermögend. Ihr einziger Sohn hat an einer Privatuni in der Schweiz BWL studiert, ist jetzt erfolgreicher Geschäftsführer einer großen Firma. Als wäre das nicht genug, hatte Jan ausnahmslos Erfolg bei den Frauen. Er konnte jede haben, bis er Thea traf und nur noch sie wollte.

Jan kennt das nicht, dass er das Selbstvertrauen verliert. Er kennt es auch nicht, dass jemand sagt, Sorry, Jan, im Moment bist Du nicht der Mittelpunkt. Er ist Einzelkind, seine Eltern haben jeden Pups von ihm registriert und kommentiert. Ich finde es unerwachsen von Jan, dass er darauf beharrt, dass bei uns immer alles pari pari abgehen muss, auch jetzt. Ich empfinde das als unerbittlich. Das ist für Jan harter Tobak, wenn ich ihn damit konfrontiere, ich weiß. Es ist ihm wichtig, ein hingabevoller Freund zu sein. Er tut viel für seine Freunde, gerade auch, weil er keine Geschwister hat. Und er hat von Anfang an zu mir gesagt, dass er mir als Geliebter auch ein guter Freund sein will, dass für ihn eine harmonische Beziehung wesentlich mit einer innigen Freundschaft zu tun hat.

Das erwarte ich in dieser Phase von ihm

Ich erwarte, dass er mich wie eine Freundin behandelt, die in Not ist. Dass er mir das schenkt, was Kerstin mir sonst geschenkt hat. Damit das klar ist, weil Jan meint, er wolle nicht als mein Helferlein agieren: Jan soll nicht mein Therapeut sein. Ich komme schon klar mit dem, was gerade mit mir los ist. Ich habe als Studentin eine Therapie gemacht und bin damit vertraut. Das heißt, ich würde mich sofort wieder um eine professionelle Therapie bemühen, wenn ich nicht weiterkomme. Dafür brauche ich Jan nicht.

Er soll nur eines tun, er soll sich einfach zurückhalten und mich nicht damit behelligen, dass ein Kunde nicht freundlich war und seine Lieblingshose nicht mehr passt. Vielleicht ist das alles auch viel mehr sein Problem als meins. Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen, dass er so mühelos durchs Leben gleitet. Das kann ich mir bei ihm durchaus vorstellen, denn er ist sehr sozial. Jan ist kein Schnösel, er ist engagiert und herzlich und großzügig, er hat ein starkes Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeit und setzt sich für Schwächere ein. Ja, vielleicht ist ihm sein eigenes Glück in der Tat irgendwie peinlich. Vielleicht liegt da der Hase im Pfeffer, wie man so schön sagt.“ 

Als Thea Jan daraufhin anspricht, fällt er erst aus allen Wolken

„Was, mein Glück soll mir peinlich sein? Und um davon abzulenken, behellige ich Dich mit meinem Alltagsärger? Das ist echt eine krasse Ansage, aber okay, ich denke darüber nach. Ich weiß, Du hast ein psychologisches Gespür, es kann sein, dass Du mich besser kennst als ich mich selbst.“ 

Dieses Gespräch ist ein Wendepunkt, von nun an klappt die Kommunikation zwischen Thea und Jan wieder. Sie nähern sich an. Jan nimmt sich zurück. Für ihn war der Gedanke von Thea eine Initialzündung. Er versteht, dass ihn ihr Kummer an einer zentralen Stelle getroffen hat, die er am liebsten ausblendet. Er kriegt das nicht zum ersten Mal aufs Butterbrot geschmiert, dass er keine Ahnung von den Härten des Lebens hat. 

Das hat ihn oft verletzt

„Ich kann ja nichts dafür, in welches Dasein ich hineingeboren worden bin. Ich wollte Thea mit meinem Insistieren auf ihre Aufmerksamkeit wohl zeigen, dass ich mithalten kann, was die Widrigkeiten des Lebens angeht. Wollte mein Recht einfordern, auch mal bemitleidet zu werden. Das ist alles in mir unbewusst abgelaufen“ sagt Jan. „Irre, wie man sich in die Tasche lügen kann. Ich wollte mich menschlicher machen, angreifbarer, interessanter. Ich wollte jemand sein, der auch Sorgen hat. Ein Normalo. Nicht so ein aalglatter langweiliger Glückspilz.

Dass ich mich beschwert habe, dass Thea nicht darauf eingeht, dass mein Kunde sich doof verhält und ich nicht mehr in meine Lieblingshose passe, das bereue ich. Herrje, das sind wirklich Peanuts. Das war nur ein Vorwand, um zu signalisieren: Hey, ich bin nicht perfekt. Damit wollte ich eigentlich ausdrücken: Ich bin nicht so weit von Dir entfernt, wie Du denkst. Ich bin bei Dir. Das hätte ich einfach direkt sagen sollen und dann die Klappe halten und nichts einfordern. Denn es ist ja wahr, ich habe nichts auszustehen. Das kann sich auch mal ändern, aber es ist immer gut gelaufen, und es läuft. Ich kann es mir leisten, mich zurückzunehmen und damit für Thea in dieser unglücklichen Phase ihr persönliches Glück zu sein, ihr goldener Löffel.“ 


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