Verliebt in einen Narzissten: Wie sich Liebe nicht anfühlen darf

Unsere anonyme Leserin war in einen Narzissten verliebt. Nun möchte sie ihre persönlichen Erfahrungen mit der Liebe zu einem Narzissten öffentlich teilen, um sich selbst und anderen in Erinnerung zu rufen, wie sich Liebe auf keinen Fall anfühlen darf, und aufzudecken, wie Narzissten lieben

Unsere Liebesgeschichte begann vielversprechend und romantisch. Bei einer abendlichen Veranstaltung hatte Chris ein Auge auf mich geworfen und machte mir seitdem den Hof. Er bat mich um Treffen, machte mir Komplimente, schickte mir sogar Blumen nach Hause. Wir wurden Freunde und es war klar, dass er ernsthafte Absichten hegte, in meinem Leben zu bleiben. Im Gegensatz zu so vielen Männern zuvor hatte ich endlich einen gefunden, der mehr als nur den Anfang einer Liebesbeziehung mit mir wollte. Jemand, der keine Angst vor fester Bindung hatte und mir eine Perspektive bot.

Ich hatte von Anfang an Bedenken

Aber ich hatte von Anfang an meine Bedenken, die ich auch äußerte. Es war offensichtlich, dass wir einen unterschiedlichen Lebensstil bevorzugen. Er liebt es schick und schön, ich mag es unkonventionell und „öko“. Er fährt BMW, ich am liebsten Fahrrad. Ich habe ihm daher am Anfang mehrere Körbe gegeben, doch er blieb dran, was mich verblüffte, ich aber auch süß fand. Er flirtete, suchte meinen Kontakt und war dabei charmant und auch etwas schüchtern. Irgendwann hatte er es geschafft und wir wurden ein Paar. Ich war begeistert, denn er war doch die perfekte Partie: freundlich und respektvoll mit ernsthaften Absichten, mehrsprachig aufgewachsen, gebildet mit Masterabschluss und fester Arbeitsstelle in einem großen Unternehmen, sportlich und sehr gutaussehend. Mit anderen Worten: ein Frauenschwarm, der MICH wollte.

Nach einiger Zeit fielen mir Dinge auf, die mich wurmten. Er sprach oft von seiner Ex-Freundin, erzählte mir, wie schön sie war und wie sehr sie sich geliebt hatten. Er hatte die Trennung offensichtlich noch nicht überwunden und hatte in mir jemanden gefunden, die ein offenes Ohr und tröstende Worte für ihn übrig hatte. Doch ging das nicht lange gut. Es gab irgendwann einen großen Eklat, nach dem er mir versprach, sie nicht mehr zu erwähnen. So weit, so gut.

Er meinte, die Region um meinen Po könnte mehr Training vertragen

In der nächsten Zeit ermunterte er mich, „mehr aus mir zu machen“, also andere Klamotten zu tragen oder ab und zu zur Maniküre zu gehen, „da er das so hübsch findet“. Er lobte meine Figur und sagte, ich sei „wunderschön“, nur die Region an meinem Po, die könnte mehr Training vertragen. Er zeigte mir Squats und riet mir, diese regelmäßig zu machen, damit man bald Effekte sieht. Als wir im Urlaub gemeinsam am Strand lagen, bat er mich, meine Bikiniträger runterzumachen, sonst würde ich Bikinistreifen bekommen und dann wäre meine Bräune nicht mehr gleichmäßig. Er würde sich wünschen, dass die Leute „WOW“ sagen, wenn sie mich sähen und dazu gehört nun mal auch eine gleichmäßige Bräune ohne Bikini- und Sonnenbrillenabdruck.

Als ich einmal in meinen Sneakers Socken anhatte, fand er das „peinlich“. Was nur, wenn wir Leuten begegnen, die er kennt? So zog ich sie aus und schlüpfte barfuß wieder in meine Schuhe, bevor wir den Supermarkt betraten. Nach und nach änderte ich meine Garderobe, um ihm mehr zu gefallen und damit er „vor Kollegen und Freunden stolz auf mich sein könnte“, wie er es formulierte. All diese Veränderungsvorschläge sagte er sehr freundlich und liebevoll und immer umbettet von vielen Komplimenten. Daher wusste ich innerlich oft gar nicht, was ich davon halten sollte und habe es nicht weiter kritisiert.

Er wollte unbedingt mit mir zusammenziehen

Im Jahr darauf wollte er mit mir zusammenziehen. Ich war dafür nicht bereit und wollte meine Wohnung auch nicht aufgeben. Dennoch hörte ich so viel Zuspruch von ihm, dass es doch so schön werden würde, dass er „extra für mich in eine größere Wohnung gezogen wäre, damit ich Platz hätte“, dass ich weniger zahlen müsste als in meiner damaligen Wohnung und dass er mich so sehr liebt, dass er mich doch bei sich haben will, „keine Nacht mehr ohne mich sein wollte“. Ich versuchte den Kompromiss, meine eigene Wohnung noch ein Jahr zu behalten, schließlich noch ein halbes, dann drei Monate … und letztendlich zog ich direkt bei ihm ein.

Er wollte jedoch meine Möbel nicht haben, sie waren „so alt und nicht schön, wir wollen uns doch als Paar gemeinsam was Neues aufbauen, oder Baby? Einen Neuanfang haben!“ Und so schmiss ich meine Möbel weg oder verkaufte sie – teilweise unter Tränen –, was er als „übersensibel und zickig“ empfand. Er hat mir nicht beim Umzug und auch nicht bei der Renovierung geholfen. Denn er musste schließlich arbeiten. Meine Geburtstage in der Beziehung verpasste er auch wegen der Arbeit. Nun ja, dachte ich mir, so ist das nun mal, wenn man einen erfolgreichen Freund hat. Da muss man einfach Abstriche machen.

Das gemeinsame Leben gestaltete sich schön. Er war nett zu meiner Familie, brachte von jeder seiner Reisen Geschenke für meine Mutter mit, kam bereitwillig zu allen Familienfeiern mit und hinterließ insgesamt den Eindruck des perfekten Schwiegersohns, für den mir tatsächlich oft von Außenstehenden gratuliert wurde. Manchmal erhielt ich große Blumensträuße, „einfach nur um danke zu sagen“, öfter erhielt ich Einladungen in die schicksten Restaurants und Bars unserer und anderer Städte. Traumhaft, oder?


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