Toxische Wünsche

Wie weit kann ich gehen? Unsere anonyme beziehungsweise-Leserin hat sich auf einen Mann eingelassen, dessen Forderungen immer mehr ihre Grenzen überschreiten. Dennoch kann sie sich nicht lösen. Sie macht mit und leidet. Bis endlich ihr Widerstand groß genug wird

Sein Spiel, unser Spiel bestand darin, Tabus zu brechen. Zuerst verbal. Er sagte, ich sähe wie ein Knabe aus, ich sei seine Hure, ich solle sagen, dass ich seine Hure bin und für ihn anschaffen gehe. Wir hielten uns in öffentlichen Toiletten auf, er ließ mich „Aufgaben“ erledigen, wie zum Beispiel ohne Oberbekleidung unter der Jacke einkaufen zu gehen. Lange Zeit hielten sich die Aufregung und der Reiz der Tabubrüche die Waage; eigentlich gerade aufgrund der Hemmungen, die man überwinden muss – oder auch dem Ekel.

Aus dem Spiel wurde psychische Gewalt

Das anfängliche Miteinander und Gleichgewicht verrutschten aber bald. Nur dass man einfach schlechter erkennt, ob es noch zum Spiel gehört, wenn man etwas gegen seinen Willen macht, oder ob hier Schluss sein müsste. Obwohl mein Gefühl zunahm, dass er nicht mehr darauf achtete, was auch für mich nur Spiel war und wo die psychische Gewalt anfing, machte ich weiter. Ich wollte ihn nicht verlieren.

Die Wende kam für mich, als er seine Huren-Fantasien mit mir umsetzen wollte: Ich sollte mich mit anderen Männern gegen ein Geldgeschenk treffen und ihm dieses Geld symbolisch geben. Da endlich wuchs mein innerer Widerstand.

Heute liegt das alles viele Jahre zurück. Es kommt mir fast vor, als sei das damals nicht ich, sondern irgendein anderer Mensch gewesen. Ich bin noch glimpflich davongekommen, denn Jonas litt, wie sich herausstellte, an Depressionen und entglitt mir und der Beziehung einfach, indem er sich nicht mehr meldete und so verschwand.

Irgendwann verschwand er schließlich aus meinem Leben

Er hatte Schaden bei mir angerichtet; auch bei einem anderen Mann ließ ich noch Sex zu, obwohl ich erst nein sagte, selbst nicht wollte, aber dem Willen des anderen einfach nicht standhalten konnte. Zum Glück kann man nach solchen Erlebnissen auch wieder stark werden. Ich hatte später zusätzlich Glück in der Liebe und traf einen Guten, der nicht nach dem Dunklen strebt, meine Schwächen schützt und meine Stärken unterstützt.

Jonas sah ich viele Jahre später zufällig in der Bahn wieder. Er erkannte mich, ich ihn, doch ich ging diesmal einfach wortlos an ihm vorbei. Nie wieder.

Abhängigkeiten in Beziehungen sind nicht immer leicht zu erkennen. Besonders, wenn man unter Verlustangst leidet, sagt man oft viel zu spät: „Stopp, das kannst du nicht mit mir machen!“ Wenn du das Gefühl hast, dein Partner oder deine Partnerin überschreiten deine Grenzen und du kannst dich dennoch nicht lösen von ihnen, dann schütze dich und sich dir Hilfe und Unterstützung. Entweder im Freundeskreis oder bei einer offiziellen Stelle.


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