Unsicherheit zieht Unsicherheit an

Unser anonymer Autor hat immer zu seinem Schwarm aufgesehen und fühlte sich so viel unbedeutender als er. Bis ihm schließlich klar wurde, dass er sich getäuscht hat

Du warst nie so stark wie ich glaubte. Das wurde mir bewusst, als ich dich auf der Party gesehen habe. Warum nur war mir das nicht vor einigen Jahren klar geworden? Warum erst jetzt? Was habe ich nur verpasst – nicht wegen dir, wegen mir … Aber zunächst zum Anfang der Geschichte.

Ich war gerade aus einer Beziehung gekommen, die ich beendet hatte. Ich fühlte mich schlecht und schuldig. Hätte ich nicht vorher Schluss machen müssen? Trug ich Schuld an dem nun so großen Leid? Mein Ex sagte mir, er würde nie wieder jemanden so lieben wie mich. Wenn ich allein in unserem Bett lag, in dem wir zwei Jahre lang Nacht für Nacht verbracht hatten, hörte ich manchmal seine Stimme flüstern: „Du bist alles, was ich habe.“

Diese Verantwortung machte mir Angst, sie hätte mich auch wachsen lassen können, aber sie machte mich klein. Genau so schlich ich mich dann aus unserer Beziehung: heimlich, schuldbewusst, ein Häufchen Elend.

Dann traf ich dich. Du warst, was ich in diesem Moment brauchte: zum Anlehnen groß und stark und ein Wanderpokal. Du warst eine der meist begehrten Trophäen der Stadt. Niemand konnte dich halten. Zumindest nicht für lange. Aber wer an deiner Seite zu sehen war, dem waren neidvolle Blicke sicher.

Ich habe mir vergangene Nacht nach der Party (mit ein ganz klein wenig Restalkohol) alte Bilder angesehen. Frag nicht, es war vielleicht doch etwas mehr als nur ein kleiner Rest. Jedenfalls fiel mir auf, dass ich im Nachhinein damals gar nicht so wie ein Häufchen Elend ausgesehen habe. Ich war eigentlich ganz schick. Nur fühlte ich mich nicht so. Und das lag daran, dass ich meine Zeit damit verbrachte, irgendwelchen Wanderpokalen hinterherzujagen. Das führte zu so vielen Selbstzweifeln und Tragödien, dass ich nicht bemerkte, wie wenig ich das eigentlich nötig hatte.


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