Zusammenziehen als „Corona-Paar“ – Will ich das wirklich schon?

Liebe in Zeiten von Corona ist nicht einfach. Wir kennen uns seit Beginn der Pandemie und nun ziehe ich zu ihm – in eine andere Stadt, nicht mal ein Jahr später. Zu früh?

Doch jetzt, wo ich meine Arbeit verloren habe und versuche, vom Küchentisch aus ein eigenes kleines Business aufzubauen, ich nicht mehr reisen kann, die Cafes und Restaurants zu sind und Kontaktbeschränkungen herrschen, wird die kleine Wohnung zum Gefängnis. Und es ist einsam dort. 

Ich bin daher umso dankbarer, dass ich gerade in dieser Zeit meinen Freund kennengelernt habe und wir uns zusammen eine große Wohnung leisten können. Ich fühle mit allen Singles da draußen mit. Vor allem mit denen, die wie ich, soziale Kontakte brauchen, wie die Luft zum Atmen. 

Amsterdam vs. Rotterdam: Was macht mehr Sinn?

Mein Freund ist im Gegensatz zu mir sehr mit seinem Heimatort verwurzelt. Er hat nie woanders gelebt. Wir hatten anfangs auch Amsterdam als Option besprochen, doch er wollte nicht wirklich. Amsterdam ist eine Option, aber er “weiß, er würde sich dort nicht wohlfühlen”.  

Ich begreife schnell: Ein Umzug nach Amsterdam ist wenig attraktiv für meinen Liebsten. Für ihn bedeutet allein der Gedanke in ein neues Viertel zu ziehen so viel Stress, wie für mich das Komplettpaket: neues Land, neue Wohnung, neuer Job, neue Freunde …

Aus praktischer Sicht ergibt es Sinn, nach Rotterdam zu ziehen: Er hat hier eine Stelle und wird in Kürze wieder Teilzeit vom Büro aus arbeiten. Ich dagegen habe vor Monaten meine Anstellung verloren und mich erst mal selbstständig gemacht bzw. suche einen neuen Job. Beides ist in meinem Fall eher virtuell. Das heißt, ich werde so oder so hauptsächlich vom Home Office aus tätig sein. Der Immobilienmarkt in Amsterdam ist mit London oder München vergleichbar, hier bekommen wir für unser Geld eine viel größere Wohnung in einer wirklich netten Gegend.

Kurzer Deutschland Vergleich: Es ist nicht unüblich, eine “kahle” Wohnung zu mieten. Eine Einbauküche steht zwar drin, aber ansonsten sind keine Lampen installiert und der Fußboden fehlt. Ja, der Niederländer reißt den Holzfußboden raus, wenn er umzieht (oft wird das vom Vermieter sogar verlangt) und der neue Mieter muss wieder neuen Fußboden verlegen. In Amsterdam könnten wir uns nur eine “kahle” Wohnung mit genug Platz für zwei Arbeitsbereiche leisten. In Rotterdam gibt es renovierte und möblierte Wohnungen für uns.

Habe ich den Kürzeren gezogen?

Der Vater meines Freundes spielt hier auch eine wichtige Rolle. Er lebt nur ca. 15 Minuten weit weg und ist in einem Alter, wo er zunehmend Hilfe braucht. Und mein Freund fühlt sich verpflichtet. Er hat seine Mutter vor einigen Jahren an Krebs verloren, seine Schwester lebt in Frankreich. Es ist also sonst niemand in der Nähe, der sich kümmern an.  

Und eigentlich finde ich die Idee, nach Rotterdam zu ziehen und etwas Neues kennen zu lernen, ganz spannend und die Stadt ist wirklich auch toll.  

Trotzdem, manchmal fühle ich mich, als hätte ich den Kürzeren gezogen.  

Ja, ich bin in den letzten 15 Jahren oft umgezogen. Ich habe Kontinente gewechselt und bin viel flexibler. “Es ist viel einfacher für dich”,  daran erinnert mein Freund mich gern. Trotzdem bedeutet ein Umzug nach Rotterdam für mich auch Einschränkungen: beruflich, sozial und familiär. 


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