Wie meine Verlustangst entstand

Jetzt bin ich 27 und erwachsen. Mein Vater und ich haben auch heute keine wirkliche Vater-Tochter-Beziehung. Ich würde es eher als Freundschaft mit großem Altersunterschied betrachten. Wir telefonieren alle paar Wochen miteinander oder treffen uns mal zum Essen gehen. Ab und an flattert eine Postkarte von seinen zahlreichen Reisen ins Haus.

Eine frühe Trennung der Eltern und die Vernachlässigung durch einen (oder beide) Elternteile sind mögliche Faktoren, die zu Verlustängsten führen können. Bei mir war es definitiv so.

Überbehütung durch die Mutter

Insbesondere für meine Mutter, die auch nach meiner „kritischen“ Krankheitsphase mit mir zu Kontrolluntersuchungen fuhr und sich das ein oder andere Mal bei inkompetenten Ärzten für mich einsetzte, war meine frühe Kindheit eine traumatische Zeit. Diese Verhaltensweise des intensiven Kümmerns wandelte sich im Verlauf meines Älterwerdens immer mehr in übertriebene, oft unbegründete Sorge und Kontrolle. Diese Muster machen sich auch heute (leider!) noch stark bemerkbar: Durch zahlreiche Anrufe, teilweise endet es in regelrechtem Telefonterror (nicht nur auf dem Handy, auch auf dem Festnetz). Durch WhatsApp-Nachrichten und ständige Fragen, ob in meiner Beziehung, bei der Arbeit, mit meinem Auto und allgemein alles okay sei.

Dadurch, dass sich immer jemand um mich sorgte, immer jemand da war, gewöhnte ich mich daran. Und so kann ich es heute nur sehr schwer ertragen, längere Zeit allein zu sein – das gilt auch für Beziehungen. Das Gefühl der Einsamkeit, welches für manche (gelegentlich) eine Wohltat ist, ist für mich mehr als beklemmend. Darüber hinaus gibt es viele Bereiche, in denen ich ein (zu) schwaches Selbstbewusstsein habe – schließlich hielt meine Mutter große Stolpersteine des Lebens lange Zeit so gut es ging von mir fern.

Natürlich habe ich in der Vergangenheit Therapien gemacht und kann sagen, dass die Ängste schon deutlich besser geworden sind. Ich habe verstanden, dass sie irrational sind und die Erlebnisse meiner Kindheit nichts mit meiner jetzigen Beziehung zu tun haben. Mein Partner liebt mich so, wie ich bin, mit all meinen seelischen und körperlichen Narben. Und er wird nicht müde zu betonen, dass die Narben zu mir gehören. Das gibt mir unheimlich viel Kraft in der Bewältigung meiner Ängste.

Endgültig besiegen werde ich die Dämonen meiner Kindheit vermutlich nie. Aber ich habe das Glück, einen Mann an meiner Seite zu haben, der diesen Kampf immer wieder aufs Neue mit mir führt.


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