Mein Partner hat Zwänge – was soll ich tun?

Frauen und Männer sind vergleichbar häufig betroffen. Etwa 2 bis 3 % von uns werden im Leben mindestens einmal eine klinisch bedeutsame Zwangsstörung entwickeln. Das klingt zunächst gar nicht so viel. Zu betonen ist dabei jedoch nochmals, dass die Grenzen zwischen „gesund“ und „krank“ fließend sind. Auch wichtig zu wissen: Zwangsstörungen haben oft sehr lange, chronische Verläufe, wenn sie nicht behandelt werden. Häufig kommen Betroffene erst viele Monate, Jahre oder sogar Jahrzehnte nach dem Erstauftreten der Symptome in Therapie.

Partnerschaft und Zwangsstörungen

Zwangsstörungen belasten, je nach Schweregrad, Partnerschaften massiv. Hier einige fiktive, aber realistische Fallbeispiele:

  • Ein Paar möchte ins Kino. Die Vorstellung beginnt um 20 Uhr, aber beide machen sich bereits um 18 Uhr auf den Weg, weil der Betroffene ein komplexes Zähl- und Kontrollritual durchführen muss, bevor er die Wohnung verlassen „darf“. Dieses Ritual dauert bis zu 90 Minuten.
  • Eine betroffene Person leidet unter Kontaminationsängsten und entsprechenden Reinigungs- und Waschzwängen. Sie besetzt das gemeinsame Bad täglich für mehrere Stunden, um komplexe Reinigungs- und Waschrituale durchzuführen.
  • Eine betroffene Person „darf“ nur in der ersten Viertelstunde einer Stunde – also zwischen „Punkt und Viertel nach“ – das Licht löschen. Es ist 22:20 Uhr. Beide Partner warten nun 40 Minuten, bis sie ins Bett gehen und das Licht löschen können, obwohl sie todmüde sind.

Ein häufiges Phänomen bei Zwangsstörungen ist, dass Partner in „Zwangssysteme“ mit eingebunden werden („mitzwängeln“). Dies belastet nicht nur die Partnerschaft, sondern verstärkt auch die Zwangsstörung.

Zwangsrituale und dergleichen behindern das partnerschaftliche Miteinander. Manchmal verhindern sie es nahezu vollständig. Die Partner fühlen sich dann oft übergangen, nicht beachtet und in ihrem Leben eingeschränkt. Ohnmacht und Wut sind natürliche Gefühlsreaktionen. Wenn dein Partner aktuell unter Zwängen leidet, können die folgenden acht Tipps hilfreich für dich und deinen Umgang mit ihm sein:

Was kann ich tun, wenn mein Partner Zwänge hat? 8 Tipps

1) Schlüpfe nicht in die Therapeutenrolle

Versuche nicht, deinen Partner zu therapieren – überlasse das Profis wie Psychologischen und Ärztlichen Psychotherapeuten.

2) Motiviere deinen Partner zu einer Psychotherapie

Geh dabei nicht drängend oder gar erpresserisch vor. Verweise stattdessen wiederholt auf die hohen Kosten der Zwänge (reduzierte Lebensqualität, partnerschaftliche Probleme u.a.) und zeige gleichzeitig auf, wie viel entspannter und leichter ein Leben ohne Zwänge wäre. „Ambivalenz erzeugen“ funktioniert als Motivationsstrategie besser als „ziehen und zerren“. Aufgrund des Leidensdrucks können Betroffene derartige Argumente meist gut nachvollziehen. Dennoch solltest du dir bewusst machen, dass der Schritt, sich professionelle Hilfe zu suchen, oft mit starken Schamgefühlen einhergeht. Ferner haben Zwänge in aller Regel eine so genannte Funktionalität bzw. einen „Sinn“: Es gibt sie aus einem bestimmten Grund, sie sind eine Bewältigungsstrategie für ein Problem, wenngleich natürlich nicht die beste. Diese Funktionalität wird in einer erfolgreichen Psychotherapie aufgedeckt. Erste Wahl ist dabei die Kognitive Verhaltenstherapie. Hierzu die maßgebliche „S3-Leitlinie Zwangsstörungen“: „Bei einer Zwangsstörung soll eine störungsspezifische Kognitive Verhaltenstherapie (KVT) einschließlich Exposition und Reaktionsmanagement als Psychotherapie der ersten Wahl angeboten werden.“ Ob auch eine medikamentöse Behandlung angezeigt ist, kann z.B. ein Psychiater abklären.

3) Akzeptiere die Zwänge als Krankheit und Leidenszustand

Mach dir immer wieder bewusst, dass eine starke Zwangssymptomatik eine Erkrankung darstellt – keine Charakterschwäche!


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