Notiz an mich: ich bin wundervoll

Mit dem Selbstbewusstsein ist das so eine Sache… egal ob Mann oder Frau, es muss liebevoll gepflegt werden, damit es wachsen kann

Den ersten Fotodruck im Großformat, den ich mir selbst gekauft habe, ist eine frühe Aufnahme von Kate Moss, geschossen von Mario Testino. Rotzfrech lehnt sie in schwarz-weiß an der Fahrertür eines Autos und beobachtet im Seitenspiegel den heißen Kerl hinter sich, der sich offensichtlich gerade umzieht und dabei seinen wirklich knackigen Po entblößt. Seitdem begleitet mich dieses Bild in jede neue Wohnung und hängt oder lehnt genau dort, wo ich es sehen kann. Warum? Weil ich genau dieses Mädchen immer sein wollte. Lässig, selbstbewusst, frech und fordernd. Mit genau der richtigen Mischung aus Selbstreflexion und einer ‚Denkt-doch-was-ihr-wollt‘–Attitüde.

Dies ist mir nicht immer gut gelungen. Wurde ich verlassen, habe ich grundsätzlich nur mich komplett in Frage gestellt. Selbst wenn allen außer mir glasklar war, dass der Typ ein Idiot ist. Schaute mich jemand auf der Straße schief an, war ich mir sicher: es liegt an mir und nicht an der schlechten Laune eines Wildfremden. Bei Kritik, ob im Job oder im Privaten, zog ich auch in ungerechtfertigten Fällen demütig die Schultern hoch und hielt meinem Gegenüber im Zweifel auch noch die andere Wange hin. Rief mich eine Freundin binnen 24 Stunden nicht zurück, musste das ganz sicher an mir liegen. Meine unsicheren Antennen waren auf permanentem Empfang; für jede negative Emotion um mich herum. Also nix mit lässig, selbstbewusst, frech und fordernd. Eher devot, zweifelnd und kleinlaut.

Die Wissenschaft vermutet den Grund darin, dass ich eine Frau und von Haus aus darauf gepolt bin, Lob und Anerkennung einzustreichen, während Männer es anscheinend von klein an auf die härtere Tour lernen müssen, sich selbst im Leben zu behaupten. Eigentlich bin ich kein Fan von diesen ‚Männer dies‘ – ‚Frauen das‘-Kategorien. Aber ein wenig Wahres steckt schon in der Vermutung.

Natürlich kenne ich auch weibliche Exemplare, die sich nehmen, was sie wollen, am Ende des Tages nur auf sich selbst hören und ein Ego bis zum Mond pflegen. Aber genau so kenne ich auch Männer, deren Selbstzweifel ihnen so laut in den Ohren rauschen, dass sie noch nicht einmal hören, wenn man ihnen sagt, wie wundervoll sie sind. Weil sie es einfach nicht glauben.


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