Mein Weg aus der Abhängigkeit

Bedingungslose Liebe oder emotionale Abhängigkeit? beziehungsweise-Leserin Jenny Grube hat schmerzhaft lernen müssen, was wahre Liebe tatsächlich ist – und dass diese ohne Schmerzen auskommt.

Abhängigkeit in einer Beziehung. Früher war das nie ein Thema für mich. Emotionale Abhängigkeit und Liebe waren für mich ein Äquivalent. Ich glaubte, Liebe müsse leidenschaftlich und kompliziert sein, so wie in einem romantischen Liebesfilm. Dieses Sichaufgeben für seinen Partner hielt ich für bedingungslose Liebe. Liebe wäre ein Kampf, den es zu überstehen galt. Aber am Ende würde alles gut werden und es käme zu meinem persönlichen Happy End. Doch als das Ende eintrat, wurde mir klar, dass einer der beiden Partner auf der Strecke bleibt. Derjenige war ich.

Ich bemerkte nicht, dass ich abhängig wurde

Diese Form der Abhängigkeit war mir am Anfang gar nicht bewusst. Sie schlich sich langsam auf Samtpfoten an, bis ich eines Tages das Gefühl hatte, ohne den anderen nicht einschlafen oder geschweige denn, leben zu können. Dies unterstützte mein Ex sogar noch – ob bewusst oder unbewusst sei dahingestellt. Es fing damit an, dass er meine Augenbrauen zupfte, weil er das angeblich viel besser konnte. Zunächst war ich dankbar, dass er diese Aufgabe für mich übernahm, denn ich traute mir das selber nicht zu.

Allgemein war ich oft unsicher, was mich oder meine Entscheidungen betraf. Diese Angst nahm mir mein Ex, denn er suggerierte mir Sicherheit und strahlte Selbstbewusstsein aus. Ich schwebte auf der Woge dieses Gefühls dahin. Er nahm mir alles ab: Kochen, Waschen und den Haushalt im Allgemeinen. Wenn ich mit Regelschmerzen eingekrümmt auf der Couch lag, holte er mir eine Wärmflasche. Einen solch fürsorglichen Mann – welche Frau wünscht sich das nicht? Doch schnell begann diese perfekte Fassade zu bröckeln. Morgens für ihn Frühstück machen war undenkbar. Er erklärte mir harsch, meine Tollpatschigkeit würde dazu führen, dass Flecken in seinen weißen Teppich kämen. Etwas irritiert ließ ich es sein und hatte immer weniger Lust, im Haushalt zu helfen oder mir Überraschungen für ihn auszudenken. Er setzte sich immer durch und ich steckte zurück.

Seine Fassade begann zu bröckeln

Den Höhepunkt erreichten wir, als ich in liebevoller Hausfrauchen-Manier abwusch, saugte, aufräumte und mich mein Ex nur anschrie: „Du kannst das einfach nicht!“ Der Grund war, dass ich nicht nach jedem dritten Teller das Abwaschwasser gewechselt hatte. Tja, ziemlich frustrierend. Anstatt mich zu trennen, redete ich mir ein, wenn ich nur ganz lieb wäre, würde er mich schon zu schätzen wissen. Ich hatte die Frauen immer belächelt, die alles für ihren Mann getan hatten und jetzt war ich selbst zu einer geworden. Traurig, aber wahr. Unterstützt wurde dies von der Umwelt meines Ex-Freundes und eines angeheirateten Familienmitgliedes, das wohl selbst gerne meinen Partner geheiratet hätte. „Er ist doch ein Sechser im Lotto!“ Ich konnte es nicht mehr hören, denn dass er mich ständig klein hielt und mich entmündigte, als wäre ich ein Kind, sah niemand. Nicht mal ich selbst. Ich glaubte den anderen Menschen mehr, als mir selbst. 


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