Hilfe, mein Partner hilft mir nicht!

Ein Partner ist klarer Verfechter der Theorie: Ich bohre dir kein Loch in die Wand, ich schenke dir einen Bohrer. Der andere sieht Unterstützung als Liebesbeweis. Wer liegt richtig?

Keine gute Beziehung ohne gegenseitige Hilfe der Partner! Die Konstellation Egoist/in + Helferchen kommt zwar häufiger vor, als man denkt, aber die Rede war ja von guten Beziehungen. Hierfür ist gegenseitige Unterstützung das Fundament. Ohne sie bricht alles andere früher oder später in sich zusammen. 

Natürlich verweigern die allerwenigsten Menschen ihrem Partner vollständig ihre Hilfe bzw. Unterstützung. Es gibt da aber auch noch ein Phänomen, das man je nach Blickwinkel als „Unterstützung 2.0“ oder „Unterstützung light“ bezeichnen könnte. Was damit gemeint ist, lässt sich am einfachsten anhand des Falles von Thomas und Janne veranschaulichen. 

„Ich helfe dir dabei, dein Problem selber zu lösen“ 

Thomas und Janne sind seit knapp einem Jahr ein Paar, beide Anfang 30, wohnhaft in einer deutschen Großstadt. Vor Kurzem sind sie zusammengezogen. Nun zeigen sich langsam Seiten, die die rosarote Brille bisher weggefiltert hatte. 

Thomas bezeichnet sich selbst als Pragmatiker. „Gibt es ein Problem, gibt es auch eine Lösung – man muss sie nur finden“, predigt er. „Ist die Lösung erst einmal gefunden, kann sich ja jeder selbst helfen.“ Er arbeitet in einer IT-Beratungsfirma und kann dort seine Sichtweise – Hilfe zur Selbsthilfe und Appell an die Eigenverantwortung – gut einbringen. 

Im neuen Zuhause kommt es in letzter Zeit immer häufiger zum Clash mit Janne. Denn Janne sieht das Ganze völlig anders als Thomas. Für sie ist gegenseitige Hilfe zwischen Partnern – ohne Wenn und Aber – das A und O einer Beziehung. Und je näher sich zwei Menschen stehen, desto selbstverständlicher sollte ihrer Meinung nach die Bereitschaft sein, dem anderen zu helfen. Wenn ihr Thomas sprichwörtlich erklärt, wie man mit einem Bohrer ein Loch in die Wand bohrt oder schlimmer noch: wo sie sich einen eigenen Bohrer kaufen kann und wie man ihn bedient, könnte sie innerlich platzen. „Du hilfst mir nicht! Du siehst doch, dass ich möchte, dass DU mir hilfst und nicht der Bohrer,“ keift sie ihn an. „Doch, ich helfe dir. Ich zeige dir, wie du dir selber helfen kannst. Das ist doch viel nachhaltiger!“ Patzt er zurück. Und der Abend ist im Eimer. 

Hilfe – zwischen Partnern – ist nicht gleich Hilfe 

Thomas hilft Janne wirklich, nur eben nicht auf die Art und Weise, wie sie es gerne hätte. Man könnte auch sagen: Hilfe ist nicht gleich Hilfe. So wie es verschiedene Sprachen der Liebe gibt, gibt es auch verschiedene Formen der partnerschaftlichen Unterstützung. Wichtig wäre, dass beide zunächst einmal überhaupt realisieren, dass sie stark voneinander abweichende Vorstellungen von partnerschaftlicher Unterstützung haben. Versucht Thomas, wie Janne nahelegt, durch seine Hilfe zur Selbsthilfe zu vermeiden, selber aktiv werden zu müssen? Wohl kaum. Wahrscheinlich ist es ihm einfach wichtig, seine Partnerin zu empowern. Also sie dabei zu unterstützen, in jenen Lebensbereichen auf eigenen Beinen zu stehen, die (noch) nicht zu ihren Steckenpferden gehören. Und vielleicht wünscht er sich insgeheim, dass Janne selbiges mit ihm tut. Beide werden es nur herausfinden, wenn sie das Thema offen ansprechen. 

Es geht nicht allein ums Helfen zwischen Partnern

Was beide allerdings auch bedenken sollten: Wenn es um echte Liebe geht, ist der Wunsch nach Hilfe und Unterstützung durch den Partner kein Ausnutzen des anderen.

Die meisten Herausforderungen des Lebens könnten auch alleine bewältigt werden. Es geht vielmehr um einen Liebesbeweis, eine Rückversicherung, dass der andere da ist, wenn er/sie gebraucht wird.

Es geht meist nicht um den Bohrer und die Schraube – also ein temporäreres Problem –, sondern vor allem um das Gefühl eines Wir

Von daher kann Thomas‘ Strategie zwar durchaus gut gemeint und sogar weitsichtig sein. Sie befriedigt allerdings nicht Jannes Bedürfnis, unmittelbare Unterstützung von ihrem Partner zu erhalten. Und dies kann leider zu Beziehungsproblemen führen. Besonders dann, wenn das Frustrationserleben chronisch wird. Hier hilft nur, die tieferliegenden Bedürfnisse hinter unseren oft emotional oder diplomatisch eingefärbten Äußerungen auf den Tisch zu legen und sich aufeinander zuzubewegen. 


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