Papa, ich verzeihe dir

Als unsere Autorin ein Baby war und im Krankenhaus um ihr Leben kämpfte, verließ ihr Vater die Familie. Im Alter von 20 Jahren erfuhr sie, was damals alles passiert ist und brach den Kontakt zu ihrem Vater für fast ein Jahr ab. Heute ist unsere Autorin 30 Jahre alt und reflektiert die schwierige Vater-Tochter-Beziehung in einem Brief.

Ca. 20 Jahre später musste ich mal wieder zur Kontrolluntersuchung in die Uniklinik Würzburg. Eigentlich hattest Du dich bereiterklärt, mitzukommen. Doch wie so oft, sagtest Du kurzfristig ab. Also fuhr meine Mutter mit mir dorthin.  Auf dem Heimweg sah ich mich aus irgendeinem Grund dazu veranlasst, zu fragen, was damals genau passiert war. Die detailreichen Erzählungen meiner Mutter trafen mich sehr. Ich wusste, dass Du uns allein gelassen hattest. Aber diesmal waren die Worte meiner Mutter ein schmerzhafter Stich ins Herz. 

Ich war so verletzt

Zuhause angekommen, schrieb ich dir den Brief, an den Du dich sicherlich noch erinnerst. Ich wollte erstmal keinen Kontakt zu dir, ich war wie betäubt. Wie konnte man sich als „Vater“ so verhalten?  

Du warst sehr traurig über die Stille zwischen uns. Fast ein Jahr hatten wir keinen Kontakt. Selbst meine Mutter sagte zwischenzeitlich, ich könne ja mal wieder den Kontakt suchen. Aber ich wollte nicht.  

Erst fast ein Jahr später, am 1. Weihnachtstag 2011, trafen wir uns wieder. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Aber seit diesem Tag haben wir wieder mehr oder weniger regelmäßigen Kontakt. Ich bekomme Postkarten aus deinen Urlauben, Glückwünsche und Grüße zu Geburtstagen und Weihnachten und wir telefonieren alle paar Wochen.  

Du warst nie ein richtiger Vater, aber doch ein väterlicher Freund. Ich werde letzten Endes nie vollkommen verstehen, was dich genau zu deinem Verhalten bewogen hat. Aber ich verzeihe dir.  

Und nun werde ich dich wohl mal wieder anrufen, um zu fragen, wie es dir geht.  

Deine Tochter 


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