Pass gut drauf auf, es ist empfindsam

Wir verloren uns in der Nacht, strandeten in einem Club mitten in einem Gewerbegebiet. Ein eigenwilliger Club, denn man konnte dort nicht nur tanzen, sondern auch selbstgemachte Pizza und Nudelgerichte bestellen. Das sah etwas absurd aus: Statt einer Flasche Bier hatten viele der Anwesenden ein Stück Margherita in der Hand und tanzten zu etwas, das wie eine Mische aus Paul Kalkbrenner und Skrillex klang. Der Club stand bei Leuten der örtlichen Kunstuni hoch im Kurs. Jedenfalls liefen dort ziemlich viele interessante Menschen herum.

Wir passten uns an. Das heißt, auch wir bestellten Pizza und tanzten. Man kam schnell ins Gespräch und irgendwann fühlten wir uns pudelwohl dort. Die Stunden vergingen zu schnell. Ich wollte nicht, dass der nächste Tag anbricht. Ich wollte nicht nach Hause. Ich wollte keine Pause von dem Leben, das ich mir in den vergangenen Monaten so schnell hatte aufbauen können. Aber der Morgen kam und einige von uns hatten sich schon auf den Weg gemacht. Tatsächlich stellte ich fest, dass ich inzwischen die letzte war, die dem nächsten Tag Widerstand leistete. Ich ließ mich an den Rand der Tanzfläche treiben und suchte nach meiner Jacke und Mütze. Draußen war es eisig kalt, ins Wohnheim waren es ein paar Kilometer. Ich machte mich auf den Weg.

Unterwegs hielt plötzlich ein Wagen neben mir. Das Fenster wurde runtergekurbelt und ich erkannte eine junge Frau in meinem Alter, die wie ich im Club gewesen war. „Soll ich dich ein Stück mitnehmen?“ Ich nickte dankbar. Beim Anfahren sah ich sie von der Seite an. Sie war ziemlich groß und schlank, dabei noch ein wenig mädchenhaft. Vielleicht war sie doch noch jünger als ich. Sehr blasse Haut, kein Make-up, dafür blaue Augen, die sogar im Licht der Straßenlaternen leuchteten. Wir stellten uns einander vor, quatschten, über den Abend, Pizza und Weihnachten. Auch noch als wir bereits vor meinem Wohnheim standen. Wir hörten gar nicht auf. Lachten, kicherten. Drehten die Standheizung und das Radio auf. In diesen Minuten merkte ich auf einmal, dass ich nicht nur den nächsten Tag nicht wollte, sondern auch, dass sie davonfährt.


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