Als du mich fragtest, sagte ich ja

Wir waren im gleichen Krankenhaus eingesetzt, du vom Studium aus und ich als Azubine, auf der gleichen Station. Chirurgie. Und wir haben es beide gehasst. Der einzige Grund, warum ich tagtäglich ohne zu murren zur Arbeit ging, warst du. Wir haben jeden Tag meiner Lehre miteinander verbracht, erst als Kollegen und dann als Freunde. Bis du mich endlich gefragt hast, ob ich mit dir ausgehen möchte. Allein. Ein Date. Du wolltest es ganz klassisch aufziehen. Mit Anzug und Rosen, Essen und Theater.

Und ich musste mir das Lachen verkneifen, als ich dich zum ersten Mal im feinen Zwirn gesehen habe. Deine Tattoos komplett verdeckt, deine Lederjacke gegen ein Jacket getauscht. Die Haare nicht wild verwuschelt, sondern glatt gekämmt. Sogar rasiert hattest du dich. Der perfekte Gentleman. Ich war tief beeindruckt. Und an diesem Abend hattest du mich dann endgültig verzaubert.

Seitdem verging kein Tag, an dem du nicht bei mir warst. Du hast mich die Welt anders sehen lassen, Dinge anders fühlen lassen. Ich wurde von Tag zu Tag mutiger und selbstbewusster. Ich war so stolz, „dein Mädchen“ zu sein und ich liebte dich abgöttisch. Irgendwann kamst du mitten in der Nacht noch zu mir, um mir etwas zu zeigen. Auf deiner rechten Brust hattest du dir meine Initialen tätowieren lassen. Feuerrot. Ich habe dich für bekloppt erklärt, aber du meintest nur: „Du wirst eh meine Frau, irgendwann.“ Und ich musste lachen. Du warst verrückt.

Wir waren Anfang 20, naiv und verliebt. Du nahmst mich mit nach Russland zu deiner Familie, zeigtest mir mit leuchtenden Augen deine Stadt, deine Kultur und ich lernte deine Freunde aus Kindertagen kennen. Ich war glücklich, ich fühlte mich wohl in Moskau. Hättest du nie wieder nach Deutschland gewollt, ich wäre mit dir dort geblieben. Wir lagen stundenlang an der nahen Wolga und du erzähltest mir Märchen auf Russisch. Ich begann langsam, deine Sprache zu verstehen und du warst über jedes Wort, das ich sprechen lernte, ganz aus dem Häuschen. Und als du mich nach acht Monaten Beziehung mitten in der Nacht fragtest, ob ich deine Frau werden will, sagte ich sofort ja.


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