Jemand, der mich nicht warten lässt

Unsere anonyme Autorin lernte die Schattenseiten einer Fernbeziehung zwischen den Kontinenten kennen. Doch ihre negativen Erfahrungen haben sie auch stark gemacht

Da war sie plötzlich. Die Nachricht von dir, auf die ich jahrelang gewartet hatte. Wir trafen uns, da war ich 20. Ich war zu Besuch auf einer Familienfeier am anderen Ende der Welt. Ein kurzer Blickkontakt und ein schüchternes Lächeln und da war plötzlich eine Anziehung, wie ich sie noch nie zuvor erlebt habe.

Wir verbrachten in den nächsten Tagen oft Zeit miteinander, nie alleine, immer umgeben von Verwandten und Bekannten. Und innerlich wünschte ich so oft, alleine mit dir sein zu können. Ich konnte Gesprächen manchmal nicht folgen, weil ich dich am anderen Ende des Raumes etwas erzählen hörte und alles, was ich von dir erfahren konnte, mich faszinierte und fesselte. Ich hielt äußerlich meine Fassade aufrecht, gab mir Mühe, dass weder du noch alle Personen um uns herum mir anmerken konnten, dass ich mich zum ersten Mal in meinem Leben fühlte wie ein verliebter Teenager.

Und dann kam der Tag, an dem wir alleine waren. Es war alles reiner Zufall. Bis heute erinnere ich mich an jeden kleinen Augenblick. Alles war auf einer freundschaftlichen Ebene, wir hielten noch nicht einmal Händchen. Aber doch waren dazwischen immer wieder diese Augenblicke. Diese Momente, in denen man sich fühlt, als wäre man allein auf dieser Welt. Alles um sich herum ausblendet, ein Blickkontakt, der länger als gewöhnlich andauert, eine zufällige Berührung, ein Schweigen, das voller Spannung ist.

Als ich am nächsten Morgen nach Hause reiste und meine Augen schloss, sah ich als erstes dein Gesicht und verfluchte die tausenden Kilometer, die zwischen uns lagen.

 Wir fingen an, uns täglich zu schreiben. Wegen der Zeitverschiebung blieb ich viele Nächte lang wach, so sehr verlor ich mich in unseren Gesprächen.

Ich blieb zurückhaltend, da ich mich nicht getraut habe, mir einzugestehen, dass ich innerlich hoffte, dass wir eine Zukunft haben könnten. Doch du bliebst beständig und ich begann mein Herz zu öffnen. 
Die Enttäuschung – ich wünschte, es wäre die einzige gewesen – ließ nicht lange auf sich warten. Plötzlich hast du dich nicht mehr gemeldet.


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