Beziehungsstatus: Langzeitsingle

Immer mehr Menschen nehmen sich aktiv vor, Single zu sein und zu bleiben – mögen die Versuchungen der Liebe noch so groß sein (denn, klar, hat auch Amor einen Arbeitsvertrag, den er zu erfüllen hat). Diese Menschen sind gar nicht mal alle beziehungsunfähig, wie es inzwischen ja heißt. Sie wollen das schlicht und einfach nicht: Beziehungswirrwarr, Verpflichtungen, Kompromisse, Einschränkungen, Dramen. Dafür verzichten sie auch gerne auf tiefe Gefühle, größtmögliche Intimität, geteiltes Leben, Familie und Händchenhalten im Greisenalter bei Abendsonnenschein am Ententeich.

Das Langzeitsingle-Sein geht weit über jenes mehr oder weniger entspannte Single-Sein nach einer Trennung hinaus, wenn man feststellt, dass es ja eigentlich ganz schön ist, mal mehr Zeit für sich zu haben und auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen. Langzeitsingle-Sein ist auch nicht ein Phänomen, das ausschließlich an ein bestimmtes Lebensalter geknüpft ist, etwa die „wilden Zwanziger“. Es ist kein Lifestyle, keine Modeerscheinung. Es ist eine Lebenshaltung. Eine konsequente Absage an das Modell verbindliche, auf Dauer abzielende Beziehung, die in jüngeren Jahren eventuell mit einer Familiengründung einhergeht. Es ist auch radikaler als das immer beliebter werdende „Living-Apart-Together“, bei dem zwei Menschen zwar nicht zusammenwohnen, dafür aber eine feste, langfristige Partnerschaft eingehen. „Langzeitsingle“ ist ein Beziehungsstatus, an dem ihre Träger gar nicht rütteln wollen. Langzeitsingle zu sein, so ihre Hoffnung, ist ein Endzustand.

Beziehungsepisoden werden gerne mitgenommen

So lässt sich vielleicht auch verstehen, warum sich viele überzeugte Langzeitsingles auf mehr oder weniger ausgedehnte Beziehungsepisoden einlassen, also Quasi-Beziehungen, die die meisten Vorzüge einer richtigen Beziehung miteinschließen, aber unser Herz nicht nachhaltig berühren. Denn: Beziehungsepisoden gefährden den Beziehungsstatus Langzeitsingle nicht. Es ist – wenigstens unbewusst – klar, dass sie wieder enden, dass sie eine Episode bleiben werden. Man holt sich eben mal eine Dosis Nähe, eine Dosis Intimität, die über eine herzlose Affäre hinausgeht, und dann zieht man sich zurück. Denn man ist ja erst mal gesättigt. Und man hat den anderen ja von Anfang an wissen oder spüren lassen, dass er ohnehin keinen festen Platz im eigenen Leben einnehmen würde. Nicht, weil man ihn nicht mag, sondern weil von ihm die „Gefahr“ ausgeht, sich in eine nicht gewollte Beziehung ziehen zu lassen.

Manchmal frage ich mich, was die Gründe dafür sind, dass sich ein Mensch dauerhaft nicht binden möchte, selbst dann nicht, wenn sein Herz wider Erwarten doch einmal in Wallung gerät. Ich glaube nicht, dass es sich um eine grundsätzliche Beziehungsunfähigkeit handelt. Aber was ist es dann? Bindungsangst vielleicht? Egoismus? Fehlende Kompromissbereitschaft? Liebe zur Freiheit? Gesellschaftliche Verschiebungen, die sich auch auf unsere Sicht auf Beziehungen auswirken?


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