Kann eine Affäre eine Beziehung retten?

Betrug ist schmerzhaft. Aber kann aus der Krise etwas Neues entstehen? Paartherapeut Eric Hegmann bewertet die Chancen eines Neustarts.

Kann ein Seitensprung eine Ehe retten? Oder eine Affäre?

In der Liebe ist alles möglich, aber nicht alles gleich wahrscheinlich. Ein Seitensprung kann nach meiner Erfahrung tatsächlich dazu führen, dass ein Paar die Gespräche führt, die es unbedingt führen sollte, aber bisher nicht führen konnte. Bei einer Affäre steht jedoch oft der Betrug und das Lügen über eine längere Zeit im Mittelpunkt. Der betrogene Partner fragt sich häufig: „Was stimmt mit mir nicht, dass ich die Affäre nicht bemerkt habe?“ Dieser Vertrauensverlust in die eigene Wahrnehmung kann schwerer wiegen als der Vertrauensbruch durch den untreuen Partner. Viele Partner, die einander verzeihen wollen, scheitern daran.

Die Hälfte der Deutschen würde nach einer Parship Studie einen Seitensprung nicht verzeihen. Deshalb soll auf keinen Fall ein Seitensprung und erst recht nicht eine Affäre als beziehungsrettende Maßnahme gedeutet werden. Es ist allerdings tatsächlich gut möglich, dass die Partnerschaft dann neu aufgestellt und auch besser wird. Aber für einen solchen Neustart gibt es reichlich bessere Werkzeuge als Untreue: Beziehungs-Workshops, Sexualtherapie, Onlinekurse, Paar-Seminare… Und nach dem Seitensprung oder einer Affäre würde ich dem Paar ebenfalls raten, Unterstützung zu suchen, um diese wirklich aufzuarbeiten. Sonst nagt der Betrug im Verborgenen noch viele Jahre und führt dann doch zum Beziehungsaus.

Warum lassen sich Menschen in einer Beziehung überhaupt auf einen Seitensprung ein?

Über ein Drittel der Deutschen hat den Partner schon einmal betrogen. Die meisten Frauen geben als Grund für Untreue an, ihr Partner wäre zu wenig aufmerksam. Als weiteren Grund beklagen sie die Kommunikation. Männer würden sich zwar auch eine bessere Kommunikation wünschen, begründen Fremdgehen aber überwiegend mit dem Wunsch nach befriedigenderem Sex. Dass sich der Partner gehen lässt wiegt für beide Geschlechter gleich schwer.

Evolutionspsychologen begründen Fremdgehen theroetischer und sagen, die Monogamie für Männer und auch für Frauen ist eine kulturelle Prägung, denn fürs Zeugen von Nachwuchs ist Treue kein zwingendes Modell. Allgemein kann man sagen: Bei allen Paaren wandelt sich etwa nach vier Jahren sexuelle Anziehungskraft zugunsten von Harmonie. Und dann muss jedes Paar die eigene Beziehung individuell verhandeln. So sieht ja auch jeder Untreue anders. Bei manchen beginnt sie im Kopf, bei anderen erst bei Intimität.

Eifersucht ist ein häufiger Grund, der Partner erst in Affären treibt

Denn durch Eifersucht entsteht Distanz und diese wiederum sorgt dafür, dass das schlechte Gewissen nicht Überhand nimmt. Kontrolle und Eifersucht, ebenso wie ein Treuetetst, ist immer auch Zeichen von geringem oder verletztem Selbstwert. Nicht selten wird aus einem Verdacht die sich selbst erfüllende Prophezeiung, weil der fälschlich beschuldigte Partner nämlich nun beginnt, die Beziehung tatsächlich in Frage zu stellen. Eifersucht schafft Distanz, Menschen suchen aber Nähe und Bindung. Ist diese Nähe zu Hause nicht mehr zu finden, wird sie sicher anderswo gesucht: Beispielsweise im Büro mit dem Arbeitskollegen, dem man die Beziehungsprobleme zuhause anvertraut.

Arbeitskollegen sind deshalb so häufig Affärenpartner: Durch den Austausch von Themen, die eigentlich in die Beziehung gehören, wird eine neue Exklusivität außerhalb der Partnerschaft eingegangen , die mittel- und langfristig für nur noch mehr Distanz der Partner führt. Deshalb findet man in Arbeitskollegen auch so häufig vermeintlich die „Seelenverwandten“: Weil über einen langen Zeitraum eine freundschaftliche und vertrauensvolle Basis einer Beziehung aufgebaut wird.


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