Er versteckt mich vor seinen Freunden

Alles fühlt sich gut an, wenn da nicht diese eine Sache wäre: Er will nicht, dass sie seine Freunde kennenlernt. Kann das überhaupt gut gehen, fragt Simone Deckner

Verliebte handeln oft irrational: Sie schlafen zu wenig und grinsen zu viel. Alles halb so wild, man schaut ihnen ja gern leicht belustigt dabei zu, wie sie liebstrunken durch die Fußgängerzonen wanken, alle paar Sekunden stehenbleiben und sich küssen und andere Griesgrame mit Hingabe davon überzeugen wollen, dass a) es für jeden, wirklich jeden, einen Seelenverwandten gibt, aber b) niemand anderes jemals die Liebe so tief und ehrlich erfahren wird wie sie.

Dennoch erstaunt es, wie weit manchmal das Verständnis für den geliebten Menschen geht, selbst wenn der sich benimmt wie eine offene Hose. Im Laufe meiner langen Liebeskarriere hatte ich es einmal mit einem sehr speziellen Exemplar zu tun. Ich möchte ihn der Einfachheit halber Peter Paranoia nennen, denn er hatte die Angewohnheit, sich immer und überall verfolgt zu fühlen.

Vor allem von mir.

Es hatte als harmloser Flirt begonnen. Augenscheinlich fanden wir uns attraktiv. So weit, so normal. Sich mit Peter Paranoia zu verabreden, gestaltet sich hingegen schwierig. Normale Dates im Café oder Kino fanden nicht statt. Peter Paranoia hatte immer sehr viel zu tun. Eine typische Einladung von ihm erfolgte spontan per SMS zu unmöglichen Zeiten: spät nachts, vorm Frühstück. Man traf sich an entlegenen Orten irgendwo in der Walachei, von deren Existenz man erst durch einen Blick in Google Maps erfuhr oder bei ihm oder mir. Immer nur zu zweit. Jeder Außenstehende hätte sofort kapiert, nach welcher Taktik Peter Paranoia mich auf Abstand hielt – bei mir dauerte es noch ein wenig.

Hast Du vor, mich auf der Party zu küssen?

Der Groschen fiel nach zwei weiteren Wochen seltsamer aber durchaus schöner Dates (die ich mir damals noch als „geheimnisvoll“ schönredete), als mein Geburtstag nahte. Ich hatte vor, eine Party zu schmeißen, zu der auch Peter Paranoia eingeladen war. Als das Thema darauf kam, sah er mich mit dem Blick eines geprügelten Hundes an. Irgendetwas schien ihn zu belasten. Er druckste herum, schließlich sagte er diesen originellen Satz: „Hast Du eigentlich auch vor, mich auf der Party zu küssen?“ Ich musste spontan lachen. So genau hatte ich mir den Verlauf des Abends noch gar nicht zurecht gelegt. Ich fragte nach: „Und wenn, wäre das ein Problem?“ Als Peter Paranoia daraufhin verlegen die Zimmerdecke hypnotisierte, wurde es mir endlich klar. Der Mann wollte unter keinen Umständen mit mir in Beziehung gebracht werden – also, nicht in der Öffentlichkeit, hier im warmen Bett war Nähe hingegen nicht sein Problem.


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