Als meine Freundin mich betrog, habe ich mir erstmals die richtige Frage gestellt

Betrogen werden ist schlimm. Aber das Leben geht weiter. Unser Gastautor hat versucht, sich nicht zerstören zu lassen

Es geht mir nicht um die Schuldfrage. Nicht mehr. Aber dazu gleich. Es geht darum – wie eine Freundin sagen würde – aufzustehen, die Krone zu richten und weiterzugehen. Aber ohne gleich wieder zu stolpern.

Um das nächste Schlagloch zu umgehen, und es gibt keinen Weg und keine Straße ohne, braucht es zumindest einen Funken Aufbereitung. Damit zurück zur Schuld: Wer fremdgeht, handelt schäbig. Da gibt es nichts zu diskutieren. Aber das heißt nicht, dass der betrogene Partner deshalb heiliggesprochen werden muss.

Ich für mich kann sagen: Als meine Freundin beichtete, sie hätte die Nacht mit einem anderen Mann verbracht, war mein erster Gedanke: „Sie betrügt MICH? Nach allem, was ich für sie getan habe?“

Das mag menschlich sein. Vielleicht auch ein evolutionäres Ego-Ding von Kerlen. Aber es ist auch ganz schön arrogant. Sie hätte nämlich jeden anderen Mann ebenso betrogen. Da brauchte ich mir nichts einzubilden. Ihre Untreue persönlich zu nehmen, hat in erster Linie mein Selbstwertgefühl angekratzt. Nun, es hat es schwer beschädigt. Heute bin ich der Meinung: Das hätte es nicht gebraucht. So wie die ganze Beziehung zu ihr. Das wurde mir aber erst später klar. Als ich mir die richtige Frage stellte.

Was habe ich mir die ganzen Jahre vorgemacht?

Gute Güte, eine ganze Menge. Das fing mit der Selbstsicherheit an, dass Untreue etwas ist, das nur anderen Paaren passiert. Ich kenne die fiesen Statistiken. Aber die gibt es auch über Verkehrsunfälle und ich fahre dennoch Rad. Ich war felsenfest überzeugt, dass es nur die Anderen treffen würde. Entsprechend selbstverständlich habe ich viele Dinge genommen. Dass meine Talente im Bett so überdurchschnittlich wären, dass es keinen Grund gäbe, mich gegen eine neue Erfahrung zu tauschen. (Sie war meine zweite Freundin und wenn ich damals gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich einen Workshop besucht!) Ich dachte auch, dass niemand so hinreißend charmant sein könnte wie ich. Sensibel, empathisch, fürsorglich und so. Was ich (noch) nicht wusste: Man kann es mit dem Verwöhnen und dem Zuckerguss und dem Anbeten echt übertreiben. Dafür lässt sich ein Haustier anschaffen. Immer nur Harmonie zeigt eigentlich, dass sich ein Partner nicht traut zu sagen, was ihn stört. Und wenn einer nichts sagt, sagt der andere auch nichts. Dann ist ja vermutlich nichts, denkt man sich.

Ich jedenfalls war immer davon ausgegangen, sie würde schon Klartext reden. Weil wir uns ja sonst so liebevoll umeinander bemühten. Genauso harmonisch – also nach zwei Jahren sterbenslangweilig – lief es im Schlafzimmer. Das hätte ich aber nie zugegeben. Schließlich war ich ja der Beste. Heute vermute ich, sie wollte mir diesen Dolch einfach nicht in den Rücken stoßen. Außerdem war ich überzeugt, was zwei Jahre gehalten hat, das hält den Rest des Lebens. Das war bei meinen Eltern so und bei deren Großeltern: Die haben sich kennengelernt, haben schnell geheiratet (das machte man damals so) und blieben zusammen. Heiraten wollte sie nicht, die Einstellung fand ich modern, aber deshalb stellte ich die gemeinsame Zukunft nie in Frage. Ich war überzeugt von meinem Weg. Nach ihrem habe ich nicht gefragt. Heute denke ich, ich hatte da bereits Angst vor ihrer Antwort und habe deshalb den Kopf schon tief in den Sand gesteckt. Was ich nicht sehen kann, ist auch nicht da. Wie gesagt: Ich habe mir eine Menge vorgemacht.

Und das ist, was mir nicht mehr passieren wird. Aus „Keine Frau wird mich betrügen“ wurde eine Zeit lang die Überzeugung „Jede Frau wird mich betrügen“. Das war kein Spaß, aber offenbar ein Nadelöhr, durch das ich mich quetschen musste. Tatsächlich hat das geklappt. Weil ich mich nicht mehr leiten lasse von dem, wie ich mich und die Welt und die Liebe gerne hätte, sondern wie ich das Beste aus dem machen kann, was ich habe. Sonst ist das nämlich eines Tages weg.


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