Ich liebe dich, aber ohne deine Kinder

Liebe zu den Kindern heucheln aus Liebe zum Mann

„Nach außen sieht es auch nach Seligkeit aus. Ich mache meinen Job als Ersatzmutter fast perfekt. Lügen begleiten mich jeden Tag, mehr noch, ich verstelle mich. Ich selbst bin die Lüge. Ich heuchele Freude, wenn Vera und Kim eine gute Zensur mit nach Hause bringen, ich versuche, besonders mütterlich zu ihnen zu sein, damit sie nicht merken, wie es in mir aussieht, kalt. Ich glaube, ich verstelle mich gut. Es macht auf mich den Eindruck, als wenn die Kinder sehr zufrieden sind mit unserem Familienleben. Ich habe ein unglaublich schlechtes Gewissen, vor allem, weil die kleinen Mädchen Halbwaisen sind. Sie haben ihre leibliche Mutter verloren. Und nun haben sie eine Stiefmutter, die eine falsche Schlange ist.

Oh, wenn die Mutter noch lebte, wenn Johannes einfach geschieden wäre, und die Kinder bei ihrer Mutter aufwachsen würden und jedes zweite Wochenende zu uns kämen, das würde ich aushalten, das könnte ich sogar genießen. So wie es aber jetzt ist, Tag für Tag und Nacht für Nacht die Kinder im Haus, das ist unerträglich. Ich weiß nicht, wie lange ich mich noch verstellen kann. Johannes darf nicht erfahren, dass ich seine Kinder ablehne, sein Verständnis für meine Lage würde sofort aufhören, seine Liebe wäre vorbei. Er würde mich verlassen. Und das ist richtig so, denn bei aller Abneigung gegen Kinder finde ich, dass sie ein Recht auf die uneingeschränkte Liebe ihrer Eltern haben, in diesem Fall auf die Liebe ihres Vaters. Männer, die ihre Kinder fallen lassen oder vernachlässigen, weil eine Frau das will, sind keine guten Männer.

Ich habe einen sehr guten Mann, bald kann es auch mein Ehemann sein, eigentlich ein Traum, Johannes hat mir einen Antrag gemacht. Und ich habe „Ja“ gesagt. Ich kann mir nicht vorstellen, ohne Johannes zu sein. Meine Liebe zu ihm wird täglich größer. Und die Kinder werden mir täglich gleichgültiger. Vielleicht kann ich mit dieser inneren Kluft leben, schließlich werden die Kinder älter. Eines Tages werde ich mit Johannes allein leben, die Kinder werden aus dem Haus sein. Ich versuche, hier weiter mein Bestes zu geben, und hoffe inständig, dass ich mich doch noch in meine Situation einfinden kann, die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich wünsche mir, dass diese Genervtheit einer heiteren Gelassenheit weicht. Das geht gar nicht anders. Das ist die einzige Rettung für uns alle vier. Irgendwann kriegen die Kinder sonst mit, dass ich allergisch auf sie reagiere. Wenn ich die Kinder schon nicht lieben kann, sollen sie wenigstens nicht unter mir leiden.“


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