Und dann war ich plötzlich Vater

„Wann, denkst du, bin ich wohl selber bereit dafür?“

Er wendete sich nun das erste Mal mir zu.

„Du bist 28, stehst fest im Leben, bist gesund, hast eine langjährige Freundin. Du denkst zu viel nach, mein Sohn.“

Und ja, ich dachte viel nach. Über Freiheit und Bindung, über die jahrzehntelange Verantwortung und Prägung meines Lebens, die ein Kind bedeuten würde. Über meine damalige gute, aber etwas seichte Beziehung. Über mein Leben im Allgemeinen und meine Lebenspläne, die Pläne meiner Freundin und den eigenen Willen, den ein Kind kontinuierlich entwickeln und der auch mein Leben mitbestimmen würde. Über meine Freunde und Familie. Meine Mutter als Oma, meinen Vater als Opa … Und irgendwie kam dann die Flut und bedeckte das Leben meiner Freundin und mein eigenes. Als wir wieder Land sahen, waren wir kein Paar mehr.

Ich wurde so alt wie mein Vater, als er nicht mehr nur „Martin“ war, sondern auch „Papa“. Am Abend meines zweiunddreißigsten Geburtstags wollte mich ein Freund doch allen Ernstes in einen Stripclub zerren, und ich fühlte mich so kindisch wie noch nie als Erwachsener.

Noch ein paar Jahre vergingen. Ich arbeitete, pflegte meine Kontakte. Versuchte Beziehungen. Wusste manchmal nicht, ob ich nicht bloß den Druck loswerden wollte, der tief in mir beziehungsweise „da unten“ sein Unwesen trieb und mich immer wieder dazu brachte, halbherzig das Spiel der Liebe zu spielen, das am Ende nur noch ein Spiel der Körper war. „Biologie.“ Hier hätte diese Antwort wohl gepasst.

Und dann kam der Lohn für Jahre der Suche und Versuche. Es klickte, Schlüssel-Schloss. Es passte. Die Tür wurde aufgeschlossen und ich hatte die Wahl: entweder an ein Wunder zu glauben oder einfach demütig zu akzeptieren, dass diese komische Sache namens Liebe wohl manchmal ziemlich lange braucht.

Wir stellten fest, dass wir beide ein Kind wollten, miteinander, obwohl wir uns noch nicht allzu lange kannten. Ich nahm ihren Kopf zwischen beide Hände und küsste sie auf die Stirn. Ich dachte nicht mehr nach, da waren keine Gedanken in diesen Wochen, keine Fragen, keine Zweifel, keine Querschläger, die unseren Wunsch hätten verscheuchen können. Und dann, an einem Sonntagmorgen, erzählte mir meine Freundin, dass wir bald zu dritt sein würden. Ich weinte, und sie weinte. Wir umarmten uns und da waren plötzlich einfach nur noch Gewissheit und Freude.

Sollte ich einen Sohn haben und er mich in etwa dreißig Jahren fragen, warum – weshalb – wieso er Vater werden sollte, welche Gründe es dafür gibt, diesen Schritt endlich bewusst zu gehen, ich glaube, ich würde ihm einfach nur sagen: Hör auf dein Herz, und wenn dein Herz seinen Gegenpart gefunden hat, hör auf zu denken. Dein Herz weiß Dinge, die dein Verstand niemals verstehen wird.


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