Meine ganz persönliche Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde

Wie konnte unsere anonyme beziehungsweise-Leserin in solch eine dysfunktionale Beziehung geraten? Und wie gelang es ihr, sich aus dieser schmerzhaften Partnerschaft wieder zu lösen? Ein Erfahrungsbericht, der anderen Betroffenen Mut machen soll

Ich lernte ihn kennen und verliebte mich bis über beide Ohren. Schmetterlinge, rosarote Brille, Honeymoon, Wolke 7, das volle Programm. Dr. Jekyll zeigte sich von seiner besten Seite, umschwärmte mich, war geduldig, liebevoll, umsorgend, einfühlsam und aufmerksam. Alles passte so wunderbar.

Doch bald wurde dies immer mehr zu einem Wunschzustand. Nach und nach kam Mr. Hyde zum Vorschein und entfaltete seine ganze versteckte Persönlichkeit. Immer mehr kam es zum raschen Wechsel zwischen Honeymoon und Demütigungen. Mr. Hyde trug einen ganzen Koffer zunächst emotionaler Erniedrigungen bei sich. Von Tag zu Tag, Woche zu Woche, Monat zu Monat packte er diesen immer weiter aus. Es war ein bunter Koffer voll psychischer und verbaler Gewalt: Manipulation, Schuldzuweisungen, toxische Wut, Beschimpfungen, Bedrohungen, Beleidigungen, lächerlich machen, Einschüchterungen …

Mich kostete es viel Kraft und Energie, diese verbale Gewalt zu ertragen. Angetrieben von der Hoffnung, dass es besser werden würde, dass er wieder zu dem Mann wird, in den ich mich ursprünglich verliebte. Es müsste doch aufhören, wenn ich mich nur noch mehr bemühte, mehr Verständnis hätte, mehr Rücksicht nehmen würde, noch liebevoller würde … Wenn ich doch irgendwie anders wäre.

Aber es wurde nicht besser. Die Spirale drehte sich weiter und ich fand den Absprung nicht. Die Abstände zwischen den Übergriffen wurden kürzer, es kamen leichte Handgreiflichkeiten hinzu und letztlich der Tritt in den Magen. Zu diesem Zeitpunkt war ich schon längst nicht mehr ich selbst.


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