Ich wusste, was ich brauche – aber ich hatte es vergessen

Mut und Vertrauen lohnen sich. Unsere anonyme beziehungsweise Leserin erzählt von ihrem Weg in eine neue Liebe.

Ich komme aus einer sehr langen Beziehung, sie war toxisch, schon lange. Sie war seit Jahren geprägt von Schweigen, Streit, Strafe, Wut, Trauer, Distanz, alleine sein. Irgendwann hatten wir uns verloren und waren in der Beziehung alleine, schon lange. Ich hatte mich verloren. Obwohl ich sehr viel an mir arbeitete und mich gut um mich kümmerte, wusste ich immer weniger, wer ich bin und was ich wirklich brauche. Er war wahrscheinlich ein Narzisst, ich gefesselt. Nach 25 Jahren bin ich ausgebrochen, wollte alleine sein. Alles war besser, als diese Beziehung fortzuführen. 

Keine Angst, offen für alles und nie zu viel

Ich hatte Jahre nicht mehr geküsst, das wollte ich nachholen. Ich ging auf Tinder. Nach drei Tagen tindern hatte ich ein Date mit dir, du warst sofort von mir geflasht und auch du gefielst mir sehr. Ich nannte dich oder uns das perfekte Match. Ich war offen für alles, hatte nichts zu verlieren. Auch hatte ich keine Erwartungen, ich wollte leben, ich war hungrig, ich war frei, ich wollte küssen.

Eine Freundin fragte mich, ob ich keine Angst vor Verletzungen habe. Nein, hatte ich nicht. Ich wollte küssen, ich wollte fühlen, ich wollte fliegen. Angst hatte ich nie, die schlimme Zeit hatte ich hinter mir. Ich war und bin bei mir, gebe mir selber Glück und Zufriedenheit. Du warst für mich irritierend schnell verbindlich, ich bin noch ein bisschen geflattert, eigentlich wollte ich noch ein bisschen ‘spielen’. Beim dritten Date haben wir uns geküsst. Ich glaube, den ganzen Tag lang. Ich bin geflogen, es war wunderschön. Du meintest, du könntest mir deine Briefmarkensammlung zeigen, das war lustig. Damit haben wir aber noch ein bisschen gewartet. Das war vor über zwei Jahren. Seither sehen wir uns jede Woche drei bis fünf Tage und es ist nie zu viel. 

Die Nähe wird noch näher

Du hast am Anfang etwas weiter von mir entfernt gewohnt, hattest aber recht schnell Lust in meine Nähe zu ziehen. Du wolltest von Anfang an nah bei mir sein. Ich konnte noch nicht weg, weil ich mit meinen studierenden Kindern zusammenlebe. Seit einiger Zeit wohnst du nah und wir sehen uns häufig. Wir küssen viel, immer noch. Wir sind glücklich, du liebst mich, ich liebe dich. Ja, wir reden viel, über alles, wir sind offen, wir sind nahe, ich bin ich und du liebst genau das, du bist du und ich liebe genau das. Ich darf genau so sein, wie ich bin, das ist eine wunderbare Erfahrung für mich.

Noch immer kann ich es nicht so recht glauben und muss mich immer wieder mal kneifen, um zu schauen, ob ich in der Realität bin. Wie kann es einfach so gut sein? Wie kann es einfach so einfach sein? Und wie konnte es so lange so schwer sein? Ich wusste nicht mehr, wie es ist, leicht zu sein. Glücklich zu sein, Nähe zu spüren. Du gibst mir, was ich brauche. Du machst aus mir die gute Version von mir selbst und das ist wunderschön und macht mich sehr dankbar. Weil, es gab eine Zeit, da war ich emotional wohl dem Tod näher als dem Leben. Jetzt lebe ich wieder in vollen Zügen. Ich genieße, ich liebe, es passt, es ist schön.


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