Ich werde da sein – aus Wertschätzung

Du meintest mal zu mir, dein Leben sei wie Hochseillaufen. Es sei möglich, das Gleichgewicht zu halten, aber sehr schwierig. Und im Gegensatz zu Akrobaten sei für dich jeder einzelne Tag des Jahres so, und ebenfalls jede Nacht. Es sei kaum möglich, nicht zu stürzen. Die Schwerkraft schläft nicht. Ich denke an ein Stahlseil, gespannt zwischen zwei New Yorker Hochhäusern. Und ich denke daran, wie es sich damals anfühlte, neben dir einzuschlafen und wieder aufzuwachen. Diese Zeiten sind vergangen.

Ich öffne meine Augen, kann mich gar nicht mehr daran erinnern, sie geschlossen zu haben. Die Kerzen vor mir sind ausgegangen. Ich strecke mich auf der Couch aus. Die Erinnerung an jenen Abend verblasst.

Wir führten eine Beziehung, die irgendwann endete, relativ plötzlich, dabei recht leise, ohne Wut und Scherben. Aber sie endete, es gibt sie nicht mehr, diese Beziehung, die wir bezogen hatten wie ein Haus. Und als sie endete sagte ich nach vielen Tränen irgendwann zu dir, dass es wichtigere Dinge als unsere Beziehung gebe, auch wenn das an unseren guten Tagen ein schier unglaublicher Gedanken gewesen wäre. Ich sagte, dass ich dir wünsche, dass sich deine Krankheit bessern würde, Schritt für Schritt, Monat für Monat, dass ich es mutig von dir gefunden hätte, mich in das einzuweihen, was du vor der gesamten Welt versteckt hast. Ich habe immer schon deinen Mut bewundert, den andere vielleicht als banal empfinden würden. Er war alles andere als banal. Ich sagte dir, und weinte dabei noch immer, dass es gut sei, mit weiteren Menschen darüber zu sprechen, nochmals mutig zu sein, mehrmals mutig zu sein. Ich wusste, dass es für dich nichts Schlimmeres als das Gefühl der Einsamkeit gab, und ich fühlte mich elend, weil unsere Beziehung gerade endete, doch ich wusste, dass es nun einmal so war, dass es besser war auseinander zu gehen, wenn deine Gefühle gegangen waren, ich wusste, dass nun die Einsamkeit kommen würde, sie klopfte ja bereits an die Tür, stärker noch für dich als für mich, und ich litt, weil ich dich liebte und wir gerade endeten, und ich litt, weil ich nicht wollte, dass du dich einsam fühlst. Und dann gingen wir irgendwann auseinander und haben seitdem nicht mehr voneinander gehört. Es ist der Lauf der Dinge. Ein Ende, mit dem ich mich nicht anfreunden werde, welches aber seinen rechten Platz in meinem Leben gefunden hat.


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