Haben wir uns wirklich gekannt?

So viele Dinge nicht geklärt: unsere anonyme beziehungsweise-Leserin suchte Antworten auf quälende Fragen. Ob sie diese am Ende finden konnte?

Es tat weh, dieses unbestimmte Gefühl, dass du weitergegangen warst, als Realität zu erfahren und zurückzubleiben. Kontakt hatten wir danach keinen mehr, aber der Aufruhr in mir blieb und trat eine Welle an Fragen rund um Sein und Lebensperspektiven los, die mehr als ausreichend Stoff für schlaflose Nächte, Verzweiflung und Tränen boten.

Dein Brief in meinem Garten

Im Frühling fand ich morgens einen Brief von dir in meinem Garten, welchen ich fast nicht zu öffnen vermochte. Beantworten konnte ich diesen erst viele Stunden später, was ich lang nur in meinem Gefühlschaos begründet sah, mit der Zeit aber auch an der Aussagekraft deiner Zeilen festmachen konnte.

Du kamst spät am gleichen Abend vorbei, wir küssten uns. Deine unmittelbare Nähe genoss ich, spürte jedoch in mir Widerstand gegen die aufkommende Leidenschaft zwischen uns und suchte das Gespräch. Dabei ertappte ich mich, wie ich Veränderungen an dir, Hinweise auf neue Lebensinhalte „übersah“ und entscheidende Themen vermied.

Irgendwann in dieser Nacht gingst du still, nachdem ich dich darum gebeten hatte. Konfrontiert mit meiner Wahrnehmung sowie der Ahnung von deiner mangelnden Aufrichtigkeit gegenüber mir, bestätigtest du mein Gefühl. Du hattest dein neues Leben begonnen und warst im Brief sowie im Gespräch selbst entscheidenden Themen ausgewichen.

Ein neues Leben beginnen

Es ist wieder Sommer und noch immer tragen viele Dinge und Stunden jeden Tages einen grauen Schleier und kosten unendlich Kraft. Der Aufruhr in mir hält an. Immer wieder fühle ich tiefe Trauer und Schuld, dass ich nicht fähig war, den Einfluss meiner Geschichte und Krankheit auf mein Sein und unsere Beziehung besser zu bewältigen. Große Verunsicherung begleitet das Wissen, dass unsere gemeinsame Zeit dir scheinbar das Verfolgen, vielleicht auch Wahrnehmen, deiner innersten Bestrebungen versagte. Haben wir uns wirklich gekannt?

So vieles steht in Frage. Und doch weiss ich inzwischen eines: Der Schmerz sowie das anhaltende Gefühl von Verlust und tiefer Einsamkeit in mir gründen auf mehr als unserer Zeit. Sie gründen auf Brücken in die Vergangenheit und dem Sehnen nach etwas, das ich durch dich entdecken und für eine kleine Weile fühlen konnte. Geborgenheit und Verbundenheit. Von Herzen Danke für Momente dieser tiefen Ruhe.


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