Deine unendlichen Demütigungen

Als sie ihn gesehen hat, an ihrem ersten Date, da wusste sie, dass sie heiraten würden. Es war ein intensiver, starker Moment, den unsere anonyme Autorin nie vergessen wird. Liebe auf den ersten Blick? Es gibt sie also wirklich …

Jahrelang hatten wir eine schöne Beziehung, dachte ich zumindest. Es gab sie nämlich, die Momente, an denen ich hätte bemerken müssen, dass du nicht gut für mich bist. Seien es Wutausbrüche gewesen, die völlig unkontrolliert vonstatten gingen oder zerschlagene Möbelstücke, die ich mit Dekoration zu kaschieren versuchte. Oder Beleidigungen, als Witze getarnt, über mein ach so kleines Gehirn …

Ich liebte dich so sehr, dass ich all dies hinnahm, ohne zu wissen, welche Folgen diese Demütigungen hatten. Denn es gab sie, deine gute Seite, deine liebevolle, partnerschaftliche Facette … Doch diese blieb nicht auf Dauer. Ich sollte „nicht mehr nackt durch die Wohnung laufen“, da dich das abtörnen würde … Angefasst hast du mich auch nicht mehr. Ich fühlte mich so unbegehrt, so klein und wertlos.

Doch dann kam sie wieder, deine gute Seite, die mir zeigte, dass du auch lieben kannst … Nach deinem Antrag war ich der glücklichste Mensch auf der Erde. Doch ich hatte auch Zweifel. Vor dem großen kirchlichen Hochzeitstag erklärte ich, dass ich diese Hochzeit so nicht mehr möchte.

In meiner unerträglichen Dummheit und Unerfahrenheit glaubte ich deinen Beteuerungen, dass alles wieder schön wird mit uns. Und dann machte ich den für mich größten Fehler: Ich zog die ewig geplante, kirchliche Hochzeit durch, da ich ernsthaft an eine Besserung glaubte. Wir heirateten und genau damit nahm das Unglück seinen Lauf. Die Demütigungen wurden größer, die herablassende Art dominierte den Alltag.

In den Flitterwochen kam deine dunkle, böse Seite erneut zum Vorschein und sie zerstörte uns. Jeden Tag wachte ich im Paradies auf, um mich von dir erniedrigen zu lassen. Ich sei zu dumm für alles, könne nichts. Du bist vor fremden Menschen ohne Grund ausgerastet, hast mich angefahren und beleidigt und voller Hass deinen Ellbogen in meine Seite gestoßen. In unseren Flitterwochen! Im Paradies, wo viele Menschen niemals hinkommen werden.


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