Deine Liebe rettet mich jeden Tag neu

Ich hasste mich, weinte viel und der Druck wurde immer größer. Ich machte alle zwei Tage Schluss mit dir, hielt dich bis nachts um drei Uhr wach, ich schrie dich an und schlug dich. Aber du warst da. Irgendwann begann ich mich zu kratzen und nachts vor dem Fenster im siebten Stock zu stehen. Der Wunsch, nicht mehr zu sein, wurde immer größer … und größer. Im Juni 2015 ließ ich mich selbst einweisen.

Der Schock war auf allen Seiten groß, niemand konnte so recht fassen, was passiert war. Ich wollte niemanden sehen außer dir und stand komplett neben mir. So tief war ich also gesunken. In den folgenden Wochen probierten die Ärzte Medikamente an mir aus und ich vegetierte vor mich hin. Therapie hatte ich zwar auch, jedoch hat mich nichts davon wirklich erreicht. Und du kamst so oft es ging. Du warst einfach da.

Schließlich wurde ich entlassen, doch mir ging es nicht wirklich gut. Ich wohnte wieder bei meinen Eltern und war immer noch depressiv. Du kamst immer vorbei. Du warst da. Und schließlich zogen wir zusammen, als deine Ausbildung zu Ende war. Am ersten November 2015 zogen wir in unsere erste gemeinsame Wohnung. Am 15. November war ich wieder in der Klinik. Im Dezember wechselte ich in die Tagesklinik. Du holtest mich jeden Tag aus dem Bett und stelltest mich auf die Füße. Und wenn ich um halb fünf zu Hause ankam und direkt ins Bett ging, dann warst du für mich da. Du warst auch an den Tagen für mich da, an denen ich gar nicht aufgestanden bin. Du hast dafür gesorgt, dass ich dusche und esse.

Es wurde nicht besser. Ich musste wieder stationär aufgenommen werden. Und trotzdem warst du da. Und endlich, endlich schien mein Leben wieder einen Sinn zu bekommen. Das erste Lebenszeichen meinerseits war der Wunsch, Cello zu lernen. Und du meldetest uns beide zum Cellounterricht an. Du regeltest alles und holtest mich dann endlich eines Donnerstagnachmittags aus der Klinik ab. Bei der ersten Cellostunde wurde ich beinahe ohnmächtig, weil es so viel Leben auf einmal war. Aber du warst da. Alle außer mir haben von Anfang an gemerkt, dass du kein Cello spielen wolltest. Du hast es nur für mich getan. So lange, bis ich allein zum Unterricht gehen konnte.


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