Wir sind ein Corona-Paar

Einen Partner zu finden ist auch ohne Lockdown schon schwer genug. Wie man sich aber trotz Corona und Lockdown verlieben kann, hat uns unsere Autorin erzählt

Er kam an einem Samstagnachmittag mit dem Auto in meine Stadt und das war das komischste erste Treffen, was ich je erlebt hatte. Ich wartete auf dem Fußweg vor dem Parkplatz, er stieg aus, mit einem großen Grinsen im Gesicht und wir lächelten uns an. Und hielten Abstand. Da standen wir also und versuchten unbeholfen, zu winken oder ähnliche alternative Begrüßungen zu veranstalten. Wirklich komisch.

Und was macht man beim ersten Date, wenn man sich nicht auf ein Kaffee oder ein Glas Wein treffen kann? Einen Kaffee zum Mitnehmen gab es dann zum Glück beim Italiener. Dann wussten wir wenigstens, was wir mit den Händen machen sollten. Wir waren beide doch ein wenig nervös. Und wir gingen 3 Stunden spazieren! Dabei versuchten wir uns gegenseitig unauffällig anzuschauen.

In “echt” wirkte er ganz anders

Ganz ehrlich gesagt, wirkte er auf mich anfangs doch anders als erwartet. Zwar hatte ich ihn im Grunde jeden Abend per Video gesehen, aber dann eben doch eher im Portrait Format und im Abendlicht. Was ich auch nicht wirklich wahrgenommen hatte war, das seine Haare eigentlich bereits komplett weiß waren. Das goldene Licht schien ihm meist direkt ins Gesicht und auf die Haare, was das Ganze irgendwie eher blond wirken ließ.

Außerdem stellte ich nun fest dass er sich, wie viele Niederländer, viel zu viel Gel in die Haare geschmiert hatte. Er war nicht nur groß, sondern auch dünn, wie ein Storch. Gegenüber diesem sehr sehr schlanken Mann fühlte ich mich fast ein wenig “mollig”. Weiterhin trug er an diesem Tag eine Brille, die ich sonst nur von älteren Herren in beigefarbenen Windjacken auf Reisen kenne. Eine von diesen Brillen, deren Gläser sich mit dem Sonnenlicht etwas dunkler färben, um Sonnenschutz zu gewähren. Die Form heißt, glaube ich, Pilot, aber ich kenne auch den inoffiziellen Beinamen „70er Jahre Pornostar“ dafür. Eine ins Design eingearbeitete italienische Flagge machte es dann auch nicht mehr besser.

Sein Aussehen irritierte mich, aber als Mensch mochte ich ihn sehr

Andererseits hatte ich aufgrund unseres Kennenlernens während Corona, hier doch den Mann als Person kennengelernt und ich mochte ihn wirklich sehr gerne…

Nun ja, nach einem dreistündigen Spaziergang musste ich dummerweise auch noch auf die Toilette und da es weder Bars oder Cafés gab, die offen waren, blieb mir nichts anderes übrig als den Weg nach Hause einzuschlagen. Nun stand er da – ganz erwartungsvoll – aber ohne sich aufzudrängen. Er musste wohl auch auf die Toilette. Was tun?

Er war jemand, dem ich vertrauen konnte, das war klar. Und ich wollte über meine Abneigung gegenüber diesem Look hinwegkommen. Außerdem hatte ich sonst echt nichts besseres vor. Also bot ich ihm an, mit zu mir zu kommen und zusammen zu kochen. Und dieser Kochabend war es eigentlich, der mich irgendwie von 0 auf 100 in eine Beziehung katapultierte.

Übers Kochen landeten wir in einer festen Beziehung

Dieser Mann hatte keine falschen Absichten. Er war wahnsinnig respektvoll und ich war schon fast enttäuscht über diese Zurückhaltung. Wobei dieses Gel in den Haaren ja immer noch nicht so wirklich mein Ding war. Nach zwei Gläsern Wein sagte ich ihm das dann auch. Zu meiner Überraschung war er aber auch gar nicht beleidigt, sondern fand es einfach nur lustig und das entspannte mich wiederum. Die Niederländer halt, voll entspannt.

Er entpuppte sich als fantastischer Koch, der unheimlich präzise schnippeln kann. Die nächsten Dates liefen – dank Corona – im Grunde immer so: Wir trafen uns bei mir oder bei ihm zu Hause, gingen zusammen einkaufen und kochten zusammen. Da wir zuhause bleiben mussten, sahen wir viele Filme oder gingen spazieren

Das klingt nicht sehr aufregend und manchmal vermisse ich diese prickelnde Anfangszeit mit einem neuen Date, wo man sich in Bars trifft, im Bett landet und dann doch jeder einzeln nach Hause geht. Aber es hat mich dahin gebracht, wo ich schon lange sein wollte.

Als im Mai dann endlich die Friseure wieder aufmachten, buchte er sofort den erstmöglichen Termin und ließ sich ohne Protest eine tolle Kurzhaarfrisur schneiden. Die lässt sich auch ganz ohne Gel stylen und jedes Mal, wenn er ein Kompliment von Freunden oder Familie bekommt, dass er doch „endlich etwas mit diesen Haaren“ gemacht hätte, strahlt er hinter seiner neuen, silbernen Nickelbrille und zeigt stolz auf mich…


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