Fernliebend: Wenn Job und Beziehung an einem Ort nicht möglich sind

Was, wenn da ein Mann ist, den man liebt, er einen auch, dieser aber nicht immerzu bei einem sein kann? Bei Autorin Julia Malz ist das so. Ihr Mann lebt in einer anderen Stadt, weil der Beruf das verlangt. Lesen Sie, wie sie mit dieser räumlichen Trennung lebt und Positives draus zieht

Mit mir stimmt etwas nicht. Es ist Sonntag und ich habe mir extra etwas Arbeit für heute aufgehoben. Gute drei Stunden darf ich nun am Schreibtisch verbringen. Drei Stunden, die schnell vergehen werden. Drei Stunden näher an einem Wiedersehen mit dem Mann, den ich liebe. Denn daran muss ich mich selbst zum Glück immer weniger erinnern: da ist ein Mann, den ich liebe. Und er liebt mich auch. Er ist nur gerade nicht da. Und morgen auch nicht

Ich habe das Privileg, dass ich für meinen Beruf nur viel Kaffee, einen Schreibtisch, eine gute Idee und einen Computer brauche. Meinen Job kann ich also überall machen. Mein Partner seinen aber nicht. Und die Umstände seiner Arbeit machen es auch nicht möglich, dass ich mein „überall“ an seinen Ort verlegen könnte. So oder ähnlich ergeht es vielen. Doch nicht alle schaffen den Sprung über sich selbst und den Gedanken hinaus, dass Liebe notwendigerweise bedeutet, die meiste Zeit am gleichen Ort zu sein.

„Unfreiwillig fernliebend“ wird so eine Situation heute genannt

Wenn der Job der Grund dafür ist, dass ein Paar nicht dauerhaft zusammenlebt, sondern sich nur alle paar Tage, Wochen oder Monate sehen kann, dann würde ich es lieber „Liebe unter bestimmten Umständen“ nennen. Denn die Berufswahl beruht bei uns beiderseits auf Freiwilligkeit und war zu Beginn an Teil des Liebesdeals. Und auch die Entfernung versuche ich nicht mehr als eine Bürde zu sehen, sondern eher als Freiraum, in dem ich an allen bisher gelernten Strukturen einer Beziehung herumbiegen darf, um für mich eine neue Struktur zu schaffen.

Eine Fernbeziehung führen müssen? Ich doch nicht …

Ich bin Anfang der 80er Jahre geboren wurden und Teil einer Generation, die als Kinder noch Briefe schrieb und als Teenager dann Emails. Und die ihr Studium in dem Bewusstsein absolvierte, dass von nun an maximale Flexibilität wichtiger Bestandteil der beruflichen Selbstverwirklichung sein würde, wobei dies durchaus Nachteile für das eigene Privatleben bedeuten könnte.

Dass mich gerade der Mann, den ich heiraten würde, in das Expertenlevel der Fernbeziehungen schießen würde, hätte ich nicht erwartet. Aber ich habe die Herausforderung nur zu gerne angenommen. Ich bin zwischendurch an meine Grenzen gestoßen, habe ins Kissen geheult und manchmal die Wand angeschrien. Doch nach fast drei Jahren Praxis in Sachen Fernbeziehung aus Jobgründen muss ich sagen: Es hat durchaus etwas für sich, dieses Fernlieben. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gelernt: über mich, die Liebe und wo man sie findet, wie man sie gesund und aufrechterhält und was es im Alltag bedeutet, trotz eines Partners für längere Zeiträume ganz auf sich allein gestellt zu sein.


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