Der Fernseher im Schlafzimmer

Was ist schöner als auf dem Sofa sitzen, kuscheln und eine Serie schauen? Klar, im Bett liegen, kuscheln und eine Serie schauen. Oder? Unser Autor hat die Glotze aus dem Schlafzimmer verbannt

Ich bin kein Feind des Fernsehempfanggerätes. Das kann ja nichts dafür, was es so alles ausstrahlen soll. Und das muss ich nicht sehen, wenn ich nicht möchte. Also meistens. Ausnahme: die bessere Hälfte will vor dem Einschlafen vom Bett aus noch eine Folge Klatsch, Tratsch und Trash-TV sehen. Dann muss ich entweder draußen bleiben oder mitleiden. Auf diese Weise musste ich bereits auf meiner Festplatte im Gehirn erhebliche, preisverdächtige Informationen über Baumhäuser und Raketentechnik überschreiben mit Trennungen, Paarungen und erneuten Versöhnungen von Personen, die ich niemals in meine Wohnung und ganz gewiss nicht in die Nähe meines Bettes lassen würde.

Das Leid anderer macht das eigene Leid erträglicher, heißt es. Mag sein. Ich persönlich würde aber viel lieber mit schönen Gedanken einschlafen als mit gruseligen Gestalten, die wahlweise Opfer skrupelloser Schönheitschirurgen oder widriger Lebensumstände wurden – oder beides. Ich schlafe schlecht, wenn ich zuvor Babystreifen von magersüchtigen Promi-Mamas sehen musste. Oder überhaupt fremder Menschen Babys, ob mit oder ohne adeligen Stammbaum. Dagegen Pinguin-Babys? Das ginge. Überhaupt Tierdokus. Da beginnt ja mittlerweile leider jeder dritte Satz todtraurig mit: „Trotz des bedrohten Lebensraumes …“ Aber das kann ich irgendwie ausblenden, sobald ein Küken fiept, ein niedlicher Welpe sabbert oder Elefantennachwuchs stolz durch einen Fluss schnorchelt. Ich habe gerne heile Welt im Schlafzimmer.

Oder aber Sex. Nur eben nicht „The Walking Dead“, sei es in der US-Version oder mit den Untoten aus dem ARD und ZDF-Altersheim. Deswegen stellte ich kürzlich den Antrag, den Fernseher samt Kabellage von Decoder und Peripherie-Geräten aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Ich hatte mit Widerstand gerechnet. Da lag ich aber falsch. Die Reaktion war zunächst frostig-vermeidend, also die „Ich habe dich nicht gehört“-Strategie. Ich wiederholte meinen Vorschlag inklusive Knabbern, Kraulen und Säuseln. Die Front bröckelte – im Nachhinein – verdächtig schnell. „Und wir streichen endlich die Wand neu“, bot ich an. „Das wolltest du doch schon so lange.“ Hochgezogene Braue. „Ich streiche die Wand neu“, korrigierte ich. „Dunkelrot?“ „Dunkelrot.“ Damit war der Fernseher Geschichte im Schlafzimmer.

Die rote Schlafzimmerwand sorgt übrigens tatsächlich für ein deutliches Plus an Stimmung. Wir glotzen auf dem Sofa und kuscheln wie früher. Aber das Schlafzimmer ist irgendwie viel mehr Spielzimmer als früher, weil es eben kein „zweites Fernsehzimmer“ mehr ist.  Bisher hat sich der Aufwand durchaus gelohnt. Allerdings hatte ich Dummy eine Kleinigkeit vergessen. Die nächste Evolutionsstufe des Flachbildschirms ist … das Tablet. Die Weiterentwicklung des linearen Fernsehens? Die Mediathek. Die hat noch viel mehr Auswahl.

Um jetzt das Tablet aus dem Bett zu bekommen, werde ich vermutlich endlich das Projekt Kleiderschrank angehen müssen.


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