Unser Nordsternchen

Überglücklich erfuhr unsere anonyme Autorin, dass sie ein Baby erwartet. Aber dann verlor sie ihr Wunschkind. Die Trauer darüber trennte sie zuerst von ihrem Partner, doch schließlich fanden sie in ihrem Verlust wieder zusammen

Wir sind füreinander geschaffen, wir lieben uns, wir wollen unser Leben nicht mehr ohne den anderen verbringen. Alles schien perfekt, das Einzige, das noch fehlte, war ein gemeinsames Kind. Und wir konnten unser Glück kaum fassen, als wir schließlich den positiven Test in der Hand hielten.

Alles schien bilderbuchmäßig, fast märchenhaft, der perfekte Mann, ein gemeinsames Kind, es hätte nicht besser werden können. Direkt gingen wir zum Arzt, erhielten das erste Bild von unserem kleinen Nordsternchen, waren uns direkt mit den Namen einig, kauften alles, was man für eine Schwangerschaft benötigte.

Doch nach einigen Tagen hatte ich das Gefühl, irgendwas stimme nicht. Drei Tage hielt es noch, dann verlor ich unser erstes gemeinsames Kind. Mein Mann, dessen Hormone sich noch nicht – wie meine – umgestellt und derart auf die Vaterrolle fixiert hatten, legte sich für Stunden zu mir und streichelte meinen Kopf, während ich bitterlich weinte und merkte, wie das Blut aus mir lief, bevor ich einwilligte, ins Krankenhaus zu fahren.

Er wich nicht von meiner Seite. Ich spürte, dass es ihm nicht gut geht, ich dachte, auch er würde trauern, trauern um das Kind, um unser Pünktchen, das Wesen, dem er ein guter Vater gewesen wäre. Aber das war nicht der Hauptgrund für seine Wehmut. Er trauerte um mich. Um die Mutter, die ich sein wollte, er hatte Angst, ich würde daran zerbrechen, Angst, ich käme damit nicht klar.

Er hielt meine Hand, all die Stunden, trocknete meine Tränen, ließ mich schweigen, wenn ich nicht reden wollte, ließ mich weinen, wenn ich es nicht zurückhalten konnte. Oft wollte ich sagen: „Du verstehst nicht, was in mir vorgeht, also schau nicht so bedauernswert.“

Gott sei Dank sagte ich das nicht. Die Wut in mir darüber, dass scheinbar alle anderen mit Kindern gesegnet sind, nur ich nicht, ließ mich Dinge denken, die irrational und unfair waren. Er bemühte sich so sehr, ich weiß jetzt, dass auch er um das Kind trauerte. Dass seine Angst um mich derart groß war und er sich bei dem Versuch, mir zu helfen, hilflos vorkam, machten mir klar, dass sein Verhalten eben auch eine Art Trauer war.


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