Wie Netflix (fast) meine Beziehung zerstörte

Er hatte mich eiskalt betrogen. Jeden Abend neunzig Minuten, in unserem gemeinsamen Bett. Mit unserer Lieblingsserie

Er verhielt sich merkwürdig. Als mein Ex mir an diesem Freitagabend erst den Koffer, dann den Mantel und später auch noch den Abwasch abnahm, sagte meine weibliche Spürnase mir sofort: Da ist irgendwas im Busch. Das Schuldbewusstsein stand ihm fett ins Gesicht geschrieben, jede Geste ein Geständnis. Doch erstmal genoss ich die Fürsorge und spielte erschöpft. Dabei hatte ich die Witterung längst aufgenommen. „Ja, Schatz“, „Du bist süß, Schatz.“ Ich komm schon noch dahinter, Schatz.

Hast du was zu verbergen, Schatz?

Ich war ein paar Tage geschäftlich unterwegs gewesen, er hatte also alle Zeit der Welt für was auch immer gehabt. Kurz überlegte ich, ob der zunehmende Pollenflug meine Nase irritiert und ich gar keinen fetten Braten, sondern an meinem armen Kerl lediglich den Duft des Vermissens gerochen hatte. Haha, als ob. Als er am nächsten Morgen Brötchen holen ging, checkte ich als erstes den Tiefkühler, doch meine Geheimration Eis lag unberührt an Ort und Stelle. So gravierend konnte es also nicht sein. Auch sonst sah alles so normal aus, wie es eben aussieht nach fünf Tagen Männerhaushalt. Immerhin: Klamotten heil, Katze am Leben, technische Geräte einwandfr… Mein Blick blieb an seinem Laptop kleben. Kurz aufklappen, um das Schlimmste auszuschließen? Ist doch nichts dabei.

Die heimliche Geliebte

Ich hatte es gewusst. Ich wusste, dass er schwach werden würde, während ich mich doof an die Regeln hielt. Schon Montagabend hatte ich mich im Hotelbett gelangweilt durch die TV-Kanäle gezappt und schmerzlichst unser allabendliches Doppel-Date mit Benedict Cumberbatch und Martin Freeman vermisst. Wir waren gerade im Sherlock-Fieber, binge-watchten via Netflix wie die Profis und hatten uns hoch und heilig versprochen, niemals ohne den anderen weiterzugucken. Von wegen: Nicht nur das Finale der zweiten Staffel war nun als gesehen markiert, auch die ersten drei Episoden der dritten hatte mir mein liebster Lügenbaron offenbar schon voraus. Blieb nur noch die Spezialfolge, die 1895 spielt. Jeden Abend war er neunzig Minuten fremdgegangen. In unserem gemeinsamen Bett.


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