“Beziehungsunfähig” – Meint ihr das eigentlich im Ernst?

Der Kampf um diese eine beflügelnde Liebe, die uns Trost und Kraft bringt, sollte kein Phänomen der Vergangenheit sein. Viele leugnen es, wollen es nicht wahrhaben, aber insgeheim wollen wir doch alle unseren Hafen finden, anlegen und uns fallen lassen können. Insgeheim wünschen sich auch die ganz Harten unter uns, mit ihrer besseren Hälfte Händchen haltend und Enten fütternd durch den Park zu spazieren. Und trotzdem handeln wir immer wieder völlig widersprüchlich. Aus Angst vor dem Scheitern machen wir um größere Risiken grundsätzlich einen großen Bogen. In Beziehungen investieren wir gefühlsmäßig lieber zu wenig, weil wir die Kontrolle bewahren wollen. Sich vom anderen abhängig zu machen, wäre quasi Selbstaufgabe – geht gar nicht. Weil wir glauben, alles in der Hand zu haben, wiegen wir uns zwar selbst in Sicherheit, lassen uns aber nie vollständig auf die andere Person ein. Sodass wir jedes mal aufs Neue das Grab einer jeden Beziehung schaufeln. Und somit eigenhändig ihr Verfallsdatum bestimmen.

Erklären kann man dieses Verhalten lediglich damit, dass sich der Mensch an jedes noch so kleine Fünkchen Sicherheit klammert. Vor allem in einer Welt, in der wir nicht wissen, was uns morgen erwartet. Wer sich darüber hinaus auf den Kamikazeflug in der Liebe einlässt, ist doch eindeutig verrückt. Also lieben wir lieber risikolos auf Sparflamme, Sicherheit geht schließlich vor.

Risikolos lieben auf Sparflamme

Für unsere vermeintliche Beziehungsunfähigkeit spricht allerdings unsere Erwartungshaltung, dass alles zu jeder Zeit unseren Ansprüchen entsprechen muss. Aus Narzissmus und Perfektionismus malen wir uns ein unrealistisches Bild von der idealen Beziehung und dem perfekten Partner aus und erwarten, dass beides in jedem Moment diesem Maßstab entspricht. Tun sie dies nicht, fangen wir an zu zweifeln und steigen aus Sicherheitsgründen voreilig aus dem fahrenden Bus aus – um bloß nicht die Kontrolle zu verlieren. Aber mal ehrlich, als ob ein Paar 60 Jahre lang Händchen haltend und Enten fütternd nur Friede, Freude, Eierkuchen durchlebt? Wo bleiben all diejenigen, die bereit sind, auch mal in den sauren Apfel zu beißen, Durchhaltevermögen zu beweisen, die Krise zu ertragen und auf das Gute zu vertrauen? Wieso halten wir aus Arroganz und Selbstgefälligkeit so vieles für selbstverständlich? Dass der Partner Höhen und Tiefen mit uns durchsteht, uns ein Gefühl der Geborgenheit gibt, uns bei jeder noch so verrückten Schnapsidee unterstützt – völlig selbstverständlich…oder etwa nicht?


Weitere interessante Beiträge