beziehungsunfähig – was es bedeutet und ob es dich oder deinen Partner betrifft

Beziehungsunfähig ist kein Schicksal, beziehungsunfähig ist nicht einmal eine Diagnose, sagt Paartherapeut und beziehungsweise-Chefredakteur Eric Hegmann.

Das bildet meiner Meinung nach sehr schön das Modell der Bindungstypen ab. Danach entwickeln wir vor allem in der frühen Kindheit durch unsere Bezugspersonen oder Eltern ein sicheres (etwas über 50 % der Bevölkerung), ein ängstlich-unsicheres oder vermeidendes Bindungsverhalten (jeweils gut 20 %). Es liegt in der Natur der Sache, dass die Personen mit einem sicheren Verhalten selten Single sind und wenn, dann nicht lange bleiben. Das führt dazu, dass sich heute, auch dank digitaler Möglichkeiten, die unsicheren und die vermeidenden Typen treffen und zusammen tun. Die ergänzen sich gegenseitig, tun sich aber nicht gut. Wir erleben also weniger Bindungsunfähigkeit als unterschiedliche Formen der Bindungsangst.

Woher kommen Verlustangst und Bindungsangst?

Mit jeder Zurückweisung und Enttäuschung verstärken oder entwickeln sich zwangsläufig Überzeugungen wie: “Das wird wieder nichts”, “Mit dem stimmt doch etwas nicht”, “In drei Monaten ist das sowieso wieder vorbei.” Jede Trennung hinterlässt eine Narbe und erzeugt den Wunsch, eine weitere Verletzung zu vermeiden. Je mehr Trennungen wir erleben, umso mehr Vermeidungsstrategien probieren wir aus und die vermeintlich erfolgreichsten nehmen wir an. Das Problem an diesen Verhaltensweisen ist jedoch, dass wir damit Ängste und negative Glaubenssätze festigen. Jeder bevorzugt andere Schutzstrategien, allen aber ist gemeinsam, dass sie wahre Bindung verhindern, weil sie von Angst geprägt sind, verletzt zu werden. 

Diese Angst zu überwinden ist die eigentlich Kunst der Partnersuche und die große Herausforderung. Es braucht Mut und Vertrauen. Nicht nur gegenüber anderen, auch gegenüber sich selbst. Es heißt, man müsse sich nur selbst genug lieben, dann würde das schon alles glatt gehen. Aber wie soll man sich lieben, wenn man permanent denkt: „Was stimmt nicht mir, dass ich keinen Partner finde?“ Nach meiner Erfahrung wäre es schon ein gewaltiger Fortschritt für viele, mit sich selbst befreundet zu sein, die eigenen Schwächen und Fehler annehmen zu können und zu erkennen, dass diese immer auch Stärken sein können – vielleicht auch nur in anderen Situationen. Am Ende entscheidet der Selbstwert über den Erfolg in der Liebe, denn der Selbstwert ist der Dreh- und Angelpunkt unseres Bindungsverhaltens, das unsere Partnerwahl und unseren Wunsch nach Nähe und Distanz steuert.

Wie soll eine Beziehung eigentlich aussehen?

Unrealistische Vorstellungen von Traumpartnern, von perfekten Beziehungen und fehlende, reale Rollenvorbilder führen sicher dazu, mit falschen Erwartungen an die Partnersuche zu gehen. Es zählt das sogenannte AMEFI-Prinzip – Alles mit Einem für Immer. Aus der Liebesheirat ist ein romantisches Ideal geworden, das normale Menschen mit Schwächen und Stärken nicht mehr erfüllen können.

Die Liebe soll uns heute Sicherheit geben. Eine Beziehung soll uns Sicherheit geben. Sicherheit vor Veränderungen, die jeden Tag von innen und außen auf die Beziehung wirken. Das ist deshalb bemerkenswert, weil bis vor 200 Jahren Liebe als Sicherheitsrisiko einer Ehe galt. Denn bis dahin gab es keine Liebesehen, sondern ausschließlich Zweckehen. Man tat sich zusammen, weil man sich Vorteile erhoffte und Sicherheit. Für die Erbfolge, für den Status, für das Alter, für die Familie. Liebe war zweitrangig, in vielen Milieus sogar regelrecht verpönt.

Wir treffen also auf eine einzige Person und wollen, dass sie uns all das gibt, was früher ein ganzes Dorf leistete. Wir wollen Alles mit Einem für Immer – den AMEFI-Partner, der bester Freund, leidenschaftlicher Liebhaber, Sparring-Partner, Sport-Begleiter, Vater oder Mutter unserer Kinder ist – alles gleichzeitig. Umfragen zeigen: Eine Beziehung mit dem AMEFI-Partner ist heute das höchste Gut. Vor Gesundheit und ewigem Leben. Eine glückliche Beziehung für immer. Als Paartherapeut weiß ich, wie oft es Menschen überfordert, eine solche, gleichberechtigte, respektvolle Beziehung auf Augenhöhe zu führen und als Single-Coach weiß ich, dass den dazu passenden Partner zu finden, noch mehr Menschen überfordert. Denn wenn eine Auswahl so wichtig wird, dann fällt sie auch ganz besonders schwer. Sie macht Angst vor Fehlentscheidungen.

beziehungsunfähig bedeutet ängstlich

Weil wir immer mehr Beziehungen und Begegnungen in unserem Leben eingehen, die scheitern, denken wir, wir treffen immer wieder Fehlentscheidungen. Jedes Beziehungsaus bedeutet, wir haben falsch entschieden, wir sind gescheitert. Jedes missratene Date bedeutet, wir haben falsch gewählt, wir sind gescheitert. Jeder Abbruch der Dating-Phase nach drei Monaten bedeutet, wir haben falsch investiert, wir sind gescheitert.


Weitere interessante Beiträge
Das perfekte Date in der Adventszeit
Weiterlesen

7 Tipps für das perfekte Date in der Adventszeit

Der passende Partner findet sich rund ums Jahr, bei Wind und Wetter. Damit sich Nässe und Kälte im Winter nicht auf die romantische Stimmung niederschlagen, möchten wir Ihnen einige tolle Date-Möglichkeiten vorstellen, die gerade in der Vorweihnachtszeit so richtig Spaß machen.