Wie wir lieben: Wozu noch Monogamie?

Brauchen wir ein neues Wort für Liebe? Friedemann Karig hat ein kluges und zärtliches Buch geschrieben über Menschen, die die Erfüllung in einer Liebe suchen, die anders ist und frei. Ein Auszug

Dieses Buch trägt im Untertitel das »Ende der Monogamie«. Das ist natürlich eine starke Übertreibung, wenn nicht reiner Humbug. Die Monogamie ist nicht am Ende. Ganz im Gegenteil: Wir streben vielleicht stärker nach ihr als je zuvor. Je schwieriger sie zu schaffen ist, je mehr Alternativen, je freier unsere Entscheidung, desto mehr scheinen wir uns wie die Helden in Filmen und Serien und Liedern und Theaterstücken an die irrwitzige Idee zu klammern, dass es mit dem einen Menschen klappen könnte. Wie ein Lotto-Spieler weiß jeder von uns, dass die Wahrscheinlichkeit gering ist, die Hürden hoch, das Glück riesig sein müsste, damit man gewinnt. Und trotzdem denkt jeder und jede, bei ihm oder ihr, da wird es klappen. Schwierigkeiten nehmen wir nicht als dem Modell inhärente Konflikte und Widersprüchlichkeiten, sondern als unsere Fehler, als Generationenkrankheiten oder als die Schuld von Teufelszeug wie Internet oder Alkohol wahr. Diese Treue, der wir die Treue halten, hat zwei Quellen, die sich wechselseitig beeinflussen. Der erste Grund ist, dass uns unsere gesamte Kultur erzählt, dass Monogamie besser ist. Der zweite Grund ist, dass sie tatsächlich einige Vorteile hat.

Wir glauben also erstens die Geschichte von der Monogamie, weil wir an etwas glauben wollen, glauben müssen. Es ist die ewig wiederkehrende Geschichte vom richtigen Leben, das wir erreichen können, wenn wir uns nur richtig anstellen. Wir Menschen sind sehr schlecht darin, Schicksal einfach hinzunehmen. Und sehr gut darin, vermeintliche Kausalitäten aufzustellen. Wir erleiden unfassbare Dinge, ohne zu klagen. Aber nur, wenn uns nur jemand erklärt, warum wir sie erleiden müssen, oder besser: wofür.


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