Wie wir lieben: Wozu noch Monogamie?

Brauchen wir ein neues Wort für Liebe? Friedemann Karig hat ein kluges und zärtliches Buch geschrieben über Menschen, die die Erfüllung in einer Liebe suchen, die anders ist und frei. Ein Auszug

Die Monogamie ist nicht nur ein Desaster, sie ist vor allem auch ein Mythos. Es gibt sie so selten, man könnte sagen: so gut wie nie. Sie existiert als Ideal, als Phantasie, als Utopie. An der wir uns aufrichten und ausrichten, scheitern und leiden. Eine schöne Idee, aber in der Realität, auch heute, wo wir frei den richtigen Partner, die richtige Form von Beziehung dafür wählen können, kaum verwirklicht. Und das liegt nicht an unserem Zeitalter, auch wenn zeitkritische Diagnosen von der »Beziehungsunfähigkeit« einer »narzisstischen Gesellschaft« stark in Mode sind. Als wären Probleme in der Liebe so etwas Modernes wie Umweltverschmutzung. Entgegen unserer historischen Intuition gab es die vielbeschworene reine Monogamie flächendeckend nur in Gesellschaften, in denen Sex brutal unterdrückt und reglementiert war, in denen »Liebe« weder als Zweck oder Ziel einer Ehe galt, in denen die Menschen romantisch (wie auch in viele anderen Belangen) maximal unfrei waren. Monogamie scheint also historisch entweder unmöglich oder diktatorisch verordnet.

Was heute tatsächlich gelebt wird, ist eine Mogel-Monogamie, die sogenannte »serielle Monogamie« (auch »sukzessive«), also eine Reihe von kurzen oder langen Beziehungen, nicht selten unterbrochen und sabotiert vom »Fremdgehen«, also polygamem Verhalten, das oft den Tief- und Schlusspunkt der Beziehung darstellt. Viele der bestehenden monogamen Beziehungen, das ist heute akzeptiertes Allgemeinwissen, haben es sich in einer lauwarmen Badewanne an Kompromissen und gepflegter Langeweile halbwegs gemütlich gemacht.

Diese Badewanne, so glauben heute viele, ist das Höchste, was man von der Liebe langfristig erwarten darf. Im Tausch gegen eine lang anhaltende, tiefe Verbindung zu einem Menschen, mit dem man die Früchte dieser Verbindung (Kinder, Haus, gemeinsames Altern) teilen kann, gibt man nicht nur alle anderen Menschen, sondern auch ein gewisses Glücksversprechen auf. Die Monogamie ist also zu einer eher laschen Utopie verkommen. Lieber eine lauwarme Badewanne als gar kein Wasser. Und doch sehnen wir uns nach dem heißen Whirlpool der ganz großen Liebe. Doch fiebern wir mit Hank und Karen, dass sie es, entgegen aller Anzeichen, doch noch zusammen schaffen. Und zwar nur zusammen.


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