Warum besser nicht Gras über die Sache wachsen lassen?

Konflikte lösen oder auf die lange Bank schieben und hoffen, dass sie sich von alleine lösen werden? Warum viele Paare strittige Themen aussitzen und weshalb das keine gute Idee ist, erklärt Paartherapeut Eric Hegmann.

Warum eskaliert ein Konflikt eigentlich zum Streit?

Aus einem Konflikt eskaliert ein Streit, wenn die Partner genug Argumente ausgetauscht haben und einander nicht überzeugen konnten. Automatisch und unbewusst – manchmal auch ganz bewusst – fragen die Partner sich dann:

  • Passen wir wirklich zusammen?
  • Liebst du mich wirklich, wenn wir uns so missverstehen?
  • Kennst du mich überhaupt?
  • Werden wir jemals aufhören zu streiten?
  • Wie oft werden wir noch streiten bevor wir uns trennen?

Diese Fragen gehen mit Trennung- und Verlustangst einher. Und je nach individueller Prägung und Biografie befeuern sie diese. Starke Emotionen wie Angst, Wut oder Ärger wollen auf eine potentiell bedrohliche Situation hinweisen und bereiten den Körper darauf vor, blitzschnell reagieren zu können: der Herzschlag erhöht sich und die Muskeln werden in Stellung gebracht, um zu flüchten oder anzugreifen. In dieser Situation ist es Menschen nicht möglich, erlerntes Wissen und Erfahrungen bewusst abzurufen, abzuwägen und einzuschätzen. Wer unter großer Prüfungsangst leidet, kennt das: Alles, was gelernt wurde, scheint vergessen. Es ist nicht vergessen. Der Zugriff auf diese Informationen klappt nur nicht wegen des Erregungszustandes. Dass ein Konflikt eskaliert, wenn er Trennung- und Verlustängste auslöst, ist mit Studien gut belegt. Mehr als verständlich als, dass viele Menschen versuchen zu vermeiden, dass es so weit kommen kann.

Ein verdrängter Konflikt lässt die Angst vor Auseinandersetzung wachsen

Es ist ein gefährlicher Kreislauf: Angst vor Streit lässt viele Menschen Konflikte verdrängen und aussitzen. Während gleichzeitig die Furcht immer größer wird, weil der Konflikt nicht bearbeitet wurde. Dadurch entsteht Druck auf die Psyche. Und es wird garantiert, das der nächste Konflikt durch all den aufgestauten Druck noch mehr eskaliert. Jeder hat diese Erfahrung bereits gemacht. Dieses Wissen sorgt dafür, dass der Konflikt erst recht weggeschoben wird. Bis es irgendwann mal richtig “knallt”, also die Partner einander abwerten und immer mehr zur Überzeugung kommen: Das wird so nichts mit uns.

“Gras über die Sache wachsen lassen”, ist leider meist keine gute Idee. Allerdings kommt es bei der Aufarbeitung darauf an, wie diese geschieht. Möglicherweise müssen die Partner zunächst einmal ihre Streit- und Kommunikationskultur verbessern. Das hat doppelten Effekt: die Angst vor Konflikten mindert sich, weil das Verständnis der Partner größer wird. Mit jedem gelösten Konflikt wird die Verbindung der Partner sicherer und Streits werden immer seltener, denn ohne Verlust- und Trennungsängste eskalieren Konflikte seltener. Der gefährliche Kreislauf lässt sich also durchaus verändern in eine positive, hilfreiche Dynamik, und er sich die Partner wieder als Team fühlen. Dann können sie wieder zusammen gegen einen gemeinsamen Gegner antreten und nicht länger einander wie Feinde bekämpfen.


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