Trennung nach 40 Jahren – warum?

Sie konnte die ersten Tage nur mit Beruhigungstabletten überstehen, war hysterisch, schrie, tobte, weinte, rief Maria an, beschimpfte sie. „Irgendwann war bei mir dann die Luft raus“, erzählt Louise, „Ich war nach diesem Sturm der Emotionen einfach traurig und still. Ich ging in mich, ich ließ die ganzen glücklichen Jahrzehnte vor meinem geistigen Auge Revue passieren. Es war alles gut. Ich habe mich nicht getäuscht! Ich habe Joachim nicht unterdrückt, das ist Quatsch, das redet er sich ein. Wir haben keine Lüge gelebt, wie Joachim das jetzt darstellt. Ich habe ihn nicht genötigt, zu tun, was ich will. Und wenn er das wirklich so empfunden hat, warum hat er nichts gesagt?

Warum hat er Jahrzehnte geschwiegen? Ich weiß es: Weil für ihn alles in Ordnung war. Er denkt, er hat jetzt erst die große Liebe gefunden. Und das muss er irgendwie rechtfertigen vor sich. Joachim macht sich jetzt etwas vor! Und das ist die größte Ungerechtigkeit, dass er mich dabei über die Klinge springen lässt. Joachim hat womöglich eine späte Midlife-Crisis, vielleicht ist der Sex mit Maria umwerfend, da kann ich nach 40 Jahren nicht mithalten. Ich fand unser Sexleben immer wundervoll, und ich hatte den Eindruck, dass Joachim jede Minute davon genossen hat. Er konnte nie genug von mir kriegen.

Ich bin froh, dass Maria nicht 20 Jahre jünger ist als ich, dann würde ich mich noch schrecklicher fühlen. Joachim reißt mir einfach alles weg, mein ganzes Leben, unser Leben, wenn er sagt, das war alles falsch. Wie kann er das behaupten? Warum tut er mir das an? Ist er ein Egoist geworden? Ich erkenne ihn nicht wieder. Joachim hat echt einen guten Charakter, Werte, Grundsätze. Er ist ein guter Mensch, ein guter Mann. Ich hätte immer meine Hand für ihn ins Feuer gelegt. Wenn ich ihn frage, ob er mich gar nicht geliebt hat, sagt er, doch habe ich, aber nur in den ersten Jahren. Er spinnt doch.“

 

 

Paartherapie als Weg zurück oder als Weg aus der Ehe heraus?

Joachim stellt sich den verzweifelten Fragen von Louise, er läuft nicht davor weg. Ihre Anschuldigungen lassen ihn nicht kalt, aber sie ändern nichts an seinem Entschluss. Er und Maria sind schon dabei, eine Wohnung zu suchen. Maria ist geschieden, sie lebt allein. Sie wohnt in einer anderen Stadt, würde aber für Joachim umziehen, sie ist selbstständig und kann überall arbeiten. Louise findet, dass Joachim ihr nach der langen Zeit des Zusammenseins etwas schuldig ist: Sie möchte mit ihm eine Paartherapie machen.

„Was ich haben möchte, das ist eine Chance“, sagt Louise. „Wenn Joachim in den vergangenen Jahren immer wieder bei mir auf der Matte gestanden und sich beschwert hätte, wenn er gesagt hätte, ich will aber Fleisch essen, und ich will lieber ins Theater als ins Kino, dann könnte ich das alles besser verstehen. Er hat sich aber nicht beschwert. Und dann rennt er von mir weg.

Ich habe unsere Ehe als so harmonisch erlebt, dass ich um sie kämpfen werde. Ich weiß, dass Joachim innerlich schon auf und davon ist und nur mit mir zur Therapie geht, um unsere Beziehung aufzuarbeiten, so dass ich auch merke, dass er recht hat, dass wir aneinander vorbei gelebt haben. Was ich mir erhoffe, ist, dass er nach der Erkenntnis, dass unser Leben verkehrt war, eine neue Erkenntnis hat, nämlich die, dass er in einer Krise ist, dass er auch verliebt ist in Maria, aber eben „nur“ verliebt – und dass wir zusammengehören, er und ich. Unser Bund für die Ewigkeit. Unsere Ausnahme-Liebe gegen einen gewöhnlichen heißen Flirt.

Maria hat nichts dagegen, dass Joachim und ich zum Therapeuten gehen. Sie ist sicher, sie hat gewonnen, ich tue ihr leid. Sie glaubt, sie kann es sich leisten, großzügig zu sein und Joachim und mich zum Therapeuten marschieren zu lassen. Maria setzt darauf, dass der Therapeut mir klar macht, dass es für mich das Beste ist, wenn ich ohne Joachim bin, so dass sie weniger Stress hat, wenn sie ihr neues Leben mit ihm beginnt. Wir werden sehen, wer hier am Ende als Siegerin dasteht.“


Weitere interessante Beiträge